KolumneUnterm Strich

Irrtümer der Wirtschaftspolitik

Deutschland braucht eine andere Wirtschaftspolitik. Nicht noch mehr Reglementierung, sondern die Stärkung der marktwirtschaftlichen Ordnung heißt das Gebot der Stunde.  

Irrtümer der Wirtschaftspolitik

Die Irrtümer der Wirtschaftspolitik

Von Claus Döring

Deutschland braucht eine andere Wirtschaftspolitik. Nicht noch mehr Reglementierung, sondern die Stärkung der marktwirtschaftlichen Ordnung heißt das Gebot der Stunde.  

„Es ist ein Irrtum zu glauben, man könne ungestraft das Feld der Wirtschafts-, Finanz- und Währungspolitik Laien, die von der Materie nicht die nötige Sachkenntnis besitzen, so weit überlassen, wie das in der Bundesrepublik geschieht.“ Mit diesem Satz überschrieb Jürgen Eick vor fast 50 Jahren das erste Kapitel seines Buches „Wie man eine Volkswirtschaft ruinieren kann“. Aus gegebenem Anlass habe ich mich dieser Tage an das Buch des seinerzeit für Wirtschaft zuständigen FAZ-Herausgebers erinnert und es noch einmal zur Hand genommen. In zwölf Irrtümern respektive Kapiteln analysiert Eick mit scharfem Verstand und verständlicher Sprache die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Deutschland der frühen 1970er Jahre. Geradezu prophetisch schreibt Eick, für Wirtschaftspolitik fühle sich jeder zuständig, wenn er nur ein Amt, einen Titel oder eine sonstige Qualifikation – etwa als Literat – vorweisen könne. Die Anspielung bezog sich seinerzeit auf Rolf Hochhuth, Robert Habeck war damals gerade vier Jahre alt.  

Das zweite Kapitel lautet: „Es ist ein Irrtum zu glauben, die Inflation sei eine ‚lässliche Sünde‘, nicht mehr als ein Ärgernis. Schon weil dieses Ärgernis in der ganzen westlichen Welt grassiere, sei es im Grunde nur halb so schlimm.“ Nach der Lektüre auch der anderen „Irrtümer“ entsteht der Eindruck, dass sich Geschichte wiederholt. Vor 50 Jahren – in Deutschland regierte die sozialliberale Koalition mit Bundeskanzler Willy Brandt – herrschten nach Eicks Analyse Ideologie, realitätsfremde Weltbeglückung, Gruppen-Egoismus, Koalitions-Arithmetik, politisches Taktieren und Lavieren. Und heute?

Eine regelgebundene Wirtschaftspolitik auf der Grundlage einer wettbewerblichen Ordnung wird von der Ampel-Koalition heute ähnlich wenig geschätzt wie vor 50 Jahren von der rot-gelben Regierung. Anstatt den Marktprozessen zu vertrauen und bei Bedarf deren politisch unerwünschtes Ergebnis mit gezielten Förderungen der Angebots- oder Nachfrageseite im Sinne des politischen Ziels zu beeinflussen, wird in Preisbildung und in Eigentumsrechte eingegriffen – beides Grundpfeiler einer marktwirtschaftlichen Ordnung. Beispiel Wohnungsmarkt, seit jeher beliebtes Experimentierfeld der Politik: Mietpreisdeckel oder gar Verstaatlichung privaten Immobilieneigentums werden aber ebenso wenig zu einem größeren Wohnungsangebot und stabilen Preisen beitragen wie der 1973 vom SPD-Parteitag in Hannover gefasste Beschluss, den Berufsstand der Immobilienmakler zu verbieten, weil er zu steigenden Bodenpreisen beitrage.

In inflationären Zeiten sind Vorwürfe wie Mietwucher, Zinswucher, Preis- beziehungsweise Gewinnwucher und beim Blick auf manche Tarifabschlüsse auch Lohnwucher schnell erhoben – und in Einzelfällen auch zutreffend. Die besten Mittel dagegen sind aber nicht Verbote, sondern marktwirtschaftlicher Natur, nämlich Wettbewerb und Transparenz. Daran fehlt es zunehmend: Die Bürger haben sich in den Jahren der Pandemie an den allzuständigen und fürsorgenden Staat gewöhnt. Deutschland ist in seinen Strukturen erstarrt, die Dynamik verloren gegangen. Für Aufbruch werden nicht weitere Eingriffe in den Markt, nicht immer detailliertere Planungen für alle Lebensbereiche und nicht weitere Umverteilung sorgen, sondern der Verzicht darauf. Wenn Wohlstand nicht weiterhin auf Pump geschaffen werden soll, müssen die Marktkräfte und insbesondere die Angebotsseite gestärkt werden. Durch Senkung der Unternehmenssteuern und Verbesserung der Abschreibungsmöglichkeiten, um Investitionen anzukurbeln. Durch Flexibilisierung der Arbeit und der Arbeitszeiten, um mehr Arbeit zu ermöglichen, indem beispielsweise die Option zur 4-Tage-Woche mit der Option zu längeren täglichen Arbeitszeiten einhergeht. Und nicht zuletzt durch Investitionen in Bildung und die digitale Infrastruktur. Würde dies beherzigt, ließe sich ein Buch schreiben, wie man eine Volkswirtschaft zur Blüte gebracht hat.  

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