Ist doch Vurst
Ist doch Vurst
Notiert in Brüssel
Ist doch Vurst
Von Detlef Fechtner
Mannomann, da kann man schon ins grübeln kommen. Da redet das EU-Parlament unentwegt vom Abbau unnötiger Vorgaben, von der Entschlackung der Regulierung und davon, dass weniger oft mehr ist – und dann sowas: Im Plenum des EU-Parlaments haben sich eine Mehrheit von 355 Abgeordneten dafür ausgesprochen, dass es in Zukunft kein Kohlrabi-Schnitzel, keine Tofu-Wurst und keinen Seitan-Burger mehr geben soll. Denn für vegetarische Alternativen sollen alle Bezeichnungen, die nach Wurst oder Fleisch klingen, tabu sein. Noch ist damit das Verbot zwar noch nicht verabschiedet. Aber nun beginnen – genau mit diesem Ziel – Verhandlungen mit dem Rat.
Oje. Selbst wär eingefleischter (sic!) Karnivore ist, kann da ins Kopfschütteln kommen. Denn erstens steht zu befürchten, dass die Fleischalternativen-Industrie nun Produktnamen erfinden muss, die dann tatsächlich für Verwirrung im Supermarkt führen. Tofu-Schnitte, Veggie-Happen, Seitan-Stange? Oder werden noch mehr Produkte künftig als „Vurst“ angeboten. Hand aufs Herz, wäre das wirklich hilfreich, übrigens auch mit Blick auf die Rechtschreibefähigkeiten von Kindern?
Wer trinkt schon Haferdrink?
Und zweitens werden die Verbraucher die Umbenennung ohnehin nicht übernehmen, vielmehr bei dem alten Namen bleiben. Schließlich ist der Versuch schon beim Haferdrink schiefgegangen. An der Theke des Cafés um die Ecke habe ich bislang jedenfalls nur Kunden erlebt, die ihren Cappuccino mit Hafermilch bestellen.
Der Late-Night-Plauderer Harald Schmidt hat einmal erzählt, sein Arzt habe ihm dringend empfohlen, mehr Obst zu essen. „Was heißt das: Eine zweite Scheibe Ananas auf den Toast Hawaii?“ Das Abstimmungsergebnis in Sachen Veggie-Wurst erinnert an diese Auffassungen von Ernährung aus Zeiten des Mettigels. Insofern riskiert das EU-Parlament mit seinem Votum nicht allein, dass diejenigen, die den europäischen Gesetzgebern Überregulierung oder sogar Gängelung vorwerfen, sich in ihrem (Vor)-Urteil bestätigt sehen. Sondern auch, dass ihm nachgesagt wird, nicht auf der Höhe der Zeit zu sein.
Bloß nicht kein Fleisch essen!
Das Argument, mit der Verbannung der Veggie-Wurst die Verbraucher zu schützen, ist zumindest zweifelhaft und missverständlich. Denn es klingt fast so, als wollten die Abgeordneten dem Umstand unbedingt vorbeugen, dass Konsumenten aus Versehen fleischlose Schnitzel essen und es womöglich am Ende nicht einmal merken. Tatsächlich ist es längst zu einem Wettbewerb privater Radiosender geworden, bei Grillfesten vegane Patties unter die Hamburger zu schmuggeln und anschließend hämische Reportagen über die verdutzten Männer zu machen, die zuvor das saftige Steakfleisch in hohen Tönen gelobt haben.
Apropos Häme: In einer Umfrage des „Tagesspiegels“ stellten spöttische Leser die Frage, welche Produkt-Kennzeichnungen in der Metzgerei nun als nächstes vom EU-Parlament auf die Verbotsliste gesetzt werden: Leberkäse oder Lachsschinken?