Italien kann Europa zerreißen
Die Nachricht hat wie eine Bombe eingeschlagen: Die Warnung von Moody’s vor einer möglichen Herabstufung der Staatsanleihen Italiens auf Ramschniveau war mehr als ein Warnschuss an die Adresse der neuen Regierung. In Rom fragt man sich, warum die Ratingagentur gerade jetzt so vorprescht. Denn Wahlsiegerin Giorgia Meloni hat sich zuletzt moderat gezeigt und ist dabei, eine Regierung zusammenzustellen, was schwer genug ist. Und Brüssel hat gerade eine weitere Tranche von Mitteln des EU-Wiederaufbauprogramms freigegeben. Auch das Wachstum ist noch stabil, und die Schulden dürften von über 150% des Bruttoinlandsprodukts 2021 in diesem Jahr auf 145% zurückgehen.
Doch hinter den Kulissen scheint es im Vorfeld der für Ende Oktober oder Anfang November erwarteten Bildung der neuen Regierung vermutlich unter Führung der Fratelli-d’Italia-Chefin Meloni turbulent zuzugehen. So turbulent, dass Carlo Bonomi, Chef des Industriellenverbandes Confindustria, massiv davor warnt, die von Melonis Koalitionspartner Lega verlangten neuen Frühpensionierungen und die ebenfalls von der Lega geforderte Flat Tax umzusetzen. Dafür sei kein Geld da. Die Konjunktur trübt sich zunehmend ein, die Energiepreise explodieren, die Inflation zieht weiter an und die Zinsen steigen. Während die Wirtschaft dringend Hilfen für die angeschlagenen Unternehmen fordert, will Meloni das europäische Wiederaufbauprogramm überarbeiten.
Das ist falsch und das alarmiert die Märkte. Vor Moody’s hat schon S&P Global von „schwierigen Entscheidungen“ der neuen Regierung gesprochen, die Warnungen aber etwas freundlicher verpackt.
Italien ist angesichts der hohen Verschuldung extrem fragil. Jeder falsche Ton bewegt die Märkte und treibt den Spread zwischen deutschen und italienischen Anleihen. Das hat schon Berlusconi 2011 zu Fall gebracht.
Meloni hat recht, wenn sie den noch amtierenden Premierminister Mario Draghi dafür kritisiert, Reformen des europäischen Aufbauprogramms verwässert und verzögert und Gelder nicht ausgegeben zu haben. Doch statt alles in Frage zu stellen und langwierige Neuverhandlungen in Brüssel zu lancieren, sollte sie es besser machen und ihre Koalitionspartner in die Schranken weisen. Gelingt ihr das nicht, droht eine Herabstufung, und das wäre eine Katastrophe für Italien und Europa. Dramatisch steigende Zinsen und ein rasanter Spread-Anstieg sowie ein Rückzug der Investoren brächten das Land und die mit italienischen Bonds in Höhe von 415 Mrd. Euro vollgesogenen Banken ins Wanken. Das würde auch Europa überfordern, denn Italien ist „too big to fail“.