Im BlickfeldCorporate Governance

Japan erklimmt nächste Stufe der Governance-Reformen

Nach den Aktionärsrenditen konzentrieren sich die Unternehmen auf Umstrukturierungen. Auslandsinvestoren drängen aber auf eine bessere Kommunikation.

Japan erklimmt nächste Stufe der Governance-Reformen

Japan erklimmt nächste Stufe der Governance-Reformen

Nach den Aktionärsrenditen konzentrieren sich die Unternehmen auf Umstrukturierungen – Auslandsinvestoren drängen aber auf eine bessere Kommunikation

Von Martin Fritz, Tokio

Ausländische Investoren waren lange Zeit skeptisch, ob japanische Unternehmen die vor einem Jahrzehnt begonnenen Reformen der Corporate Governance wirklich ernst nehmen. Inzwischen hat sich aber die Einsicht durchgesetzt, dass diese Bemühungen bei vielen Unternehmen über Pro-Forma-Maßnahmen wie Absichtserklärungen zur Verbesserung der Kapitalrendite hinausgehen.

Die erste Stufe der Reformen führte in erster Linie zu einer kräftigen Steigerung der Aktionärsrenditen. Allein der Gesamtbetrag der Aktienrückkäufe verdoppelte sich im letzten Geschäftsjahr nahezu auf 18,7 Bill. Yen (107 Mrd. Euro). Der Betrag entspricht 2% der Marktkapitalisierung der Tokioter Börse (947 Bill. Yen zu Ende März 2025) und 3,7% des frei handelbaren Topix-Werts (506 Bill. Yen).

Erhebliches Effizienzpotenzial

Nun organisiert eine steigende Zahl von Unternehmen ihre Geschäftsportfolios neu und erklimmt damit die nächste Stufe der Reformauswirkungen. Zugleich zeichnet sich mit neuen Investitionen in Wachstumsbereiche die dritte Konsequenz ab. Unterm Strich entsteht dadurch ein erhebliches Potenzial für eine mittel- bis langfristige Steigerung der Unternehmenswerte und damit für eine Verbesserung der Effizienz der japanischen Wirtschaft. Die treibenden Faktoren sind die proaktiven Maßnahmen von Börse und Finanzaufsicht, das Engagement von Aktivisten-Investoren und Private-Equity-Fonds beim Verkauf von Nicht-Kerngeschäften sowie das veränderte Bewusstsein der Manager durch die Rückkehr der Inflation, höhere Zinsen und den Generationswechsel.

Laut einer Analyse von UBS Japan hat sich die operative Marge bei Unternehmen im Topix 100, die die Anzahl ihrer Geschäftsbereiche reduziert haben, um 26% verbessert. Als Beispiele nennen die UBS-Analysten die Toyota-Gruppe (Delisting von Toyota Industries), NTT (Übernahme von NTT Data), Fujitsu und die Aeon-Einzelhandelsgruppe. Kyocera reduzierte die Zahl der Segmente von sechs auf drei, Seven & I von acht auf vier und NEC von fünf auf zwei. Im Schnitt wuchs die operative Marge bei Unternehmen mit Umstrukturierungen innerhalb von fünf Jahren um 30%. Die Kapitalrendite des Topix 100 könnte um 85-151 Basispunkte steigen, wenn 30 Unternehmen ihre weniger profitablen Bereiche veräußerten, so die Kalkulation von UBS Japan.

Verschlankung als Gewinnhebel

Während der „verlorenen 30 Jahre” der Deflation und des geringen Wachstums neigten japanische Unternehmen zu einer defensiven Haltung. Sie häuften Bargeld an und hielten an Segmenten mit geringer Rentabilität fest. Laut einer Umfrage des Wirtschaftsministeriums METI beträgt der Umsatzanteil von Segmenten mit geringer Rentabilität und einer operativen Marge von unter 5% bei US-Unternehmen 15% und bei europäischen Unternehmen 37%, aber bei japanischen 63%. Sie wiesen tendenziell umso geringere operative Margen auf, je größer und diversifizierter sie waren. Das gilt besonders für die Sektoren Chemie, Elektrogeräte, Maschinen und Lebensmittel. Umstrukturierungen wirken daher oft wie ein Gewinnhebel.

Strategische Klarheit gefordert

Allerdings verlangen Auslandsinvestoren eine bessere Kommunikation der Governance-Strategien. Bei einer Umfrage von Kekst CNC und SquareWell Partners unter Portfoliomanagern und Stewardship-Teams mit signifikanten Engagements in japanischen Aktien aus Nordamerika, Europa und Asien meinten nur 10% der Befragten, dass japanische Unternehmen ihre Vision effektiv vermittelten. Überzeugendere Strategie-Narrative seien ebenso erforderlich wie mehr Klarheit über die Governance-Strukturen. Zwei Drittel der befragten Anleger bezeichneten den Zugang zur Unternehmensleitung als „äußerst wichtig“ für ihre Investition, jedoch berichteten nur 10% von regelmäßigem Kontakt zu externen Direktoren.

Insgesamt zeigten sich 80% der Befragten optimistisch hinsichtlich zunehmender Investmentaussichten für japanische Unternehmen. 40% sehen in Governance-Verbesserungen den größten Faktor in ihrer Investment-Entscheidung. „Das Umfrageergebnis bestätigt, dass die Reformen die Glaubwürdigkeit und damit auch die Attraktivität von japanischen Firmen stark gesteigert haben“, sagt Jochen Legewie von Kekst CNC Japan. „Nun werden strategische Klarheit und ein sinnvoller Dialog mit Investoren und anderen externen Stakeholdern gefordert.“

So fehlten etwa bei der Nachfolgeplanung Transparenz und Glaubwürdigkeit, monierten die Investoren. Obwohl 80% der Befragten erwarten, dass Nachfolgepläne externe Kandidaten einbeziehen, legten nur sehr wenige Unternehmen ihren Prozess oder Zeitplan offen. Auch die späte Veröffentlichung der Jahresberichte ist den Investoren ein Dorn im Auge. Fast alle Befragten forderten eine Offenlegung mindestens drei Wochen vor der Hauptversammlung. Aber in diesem Jahr lieferten 45% der Unternehmen ihre Berichte erst danach aus.

Rückgang der Kapitalrendite

Dessen ungeachtet dürfte die Eigenkapitalrendite der börsennotierten Unternehmen im laufenden Geschäftsjahr (bis März 2026) laut Nikkei-Berechnungen um 1,1 Punkte auf das Fünfjahrestief von 8,5% sinken. Das Wirtschaftsministerium METI hatte zu Reformbeginn 8% als Mindeststandard festgelegt. Ein Faktor für den Rückgang des ROE sind sinkende Gewinnmargen durch US-Zölle und die Aufwertung des Yen. Der Gesamtnettogewinn der von Nikkei befragten Unternehmen dürfte um 8% erstmals seit sechs Jahren auf etwa 38 Bill. Yen (218 Mrd. Euro) sinken.

Der Rückgang der Eigenkapitalrendite ist auch auf die Ausweitung des Eigenkapitals zurückzuführen. Es dürfte in diesem Geschäftsjahr um 4% auf 454 Bill. Yen (2,6 Bill. Euro) steigen. Ende März verfügten große japanische Unternehmen über 112 Bill. Yen (643 Mrd. Euro) an Barmitteln, den dritthöchsten Stand seit dem Geschäftsjahr 2007. Hier schlummert das Potenzial für höhere Ausschüttungen und neue Wachstumsinvestitionen.