Notiert inWashington

Käfigkämpfer im US-Kongress

Die Zerstrittenheit unter Republikanern und Verrohung der Sitten in der US-Politik sind mittlerweile in Gewaltanwendung ausgeartet.

Käfigkämpfer im US-Kongress

Notiert in Washington

Käfigkämpfer im US-Kongress

Von Peter De Thier

Dass im politischen Diskurs in den USA ein ziviler Umgangston längst der Vergangenheit angehört, das ist spätestens seit der Wahl Donald Trumps zum 45. Präsidenten bekannt. Keineswegs neu ist auch die Dysfunktionalität im US-Repräsentantenhaus. So hatte sich die Oppositionspartei im Januar der Lächerlichkeit preisgegeben, als die Republikaner einen Wahlmarathon mit 15 Durchgängen brauchten, ehe sie sich auf Kevin McCarthy als neuen Sprecher einigen konnten. Im Oktober stimmten dann acht rechtsgerichtete Republikaner dafür, dass ihr höchster Repräsentant in der unteren Kongresskammer entmachtet wird, weil er sich mit dem Weißen Haus auf einen Kompromiss zur Verhinderung eines Verwaltungsstillstands geeinigt hatte.

 Die innere Zerstrittenheit der Partei und der unflätige Umgangston gehören also seit geraumer Zeit zur Tagesordnung. Neu ist allerdings, dass die Verrohung der Sitten so weit ausgeartet ist, dass es zwischen republikanischen Politikern auch zu Handgreiflichkeiten und Drohungen physischer Gewalt kommt. So berichtete der Abgeordnete Tim Burchett, dass McCarthy, als die beiden Repräsentanten in den Gängen des Kapitolsgebäudes aneinander vorbeigingen, ihm so hart den Ellbogen in den Rücken gestoßen habe, dass er bis jetzt unter Nierenschmerzen leide. McCarthys Zorn auf den Abgeordneten aus dem US-Staat Tennessee hängt damit zusammen, dass Burchett einer der acht erzkonservativen Republikaner ist, die sich im Oktober an dem Putsch gegen ihren Parteifreund beteiligt hatten. 

Zwar sagte der abgewählte Sprecher des Repräsentantenhauses, der Stoß in den Rücken sei ein Versehen gewesen. Auf diese Erklärung angesprochen nahm Burchett kein Blatt vor den Mund. McCarthy sei ein "Feigling" und ein "Rüpel". Er sei "der Typ, der einen Stein über den Zaun wirft, dann wegläuft und sich hinter dem Rock seiner Mutter versteckt", ließ er kein gutes Haar an dem Mann, der noch Anfang Oktober der mächtigste Republikaner in Washington war. Zudem behauptete ein Journalist, der Augenzeuge des Vorfalls war, dass an der Absicht hinter McCarthys Schlag kein Zweifel bestehen könnte. Dabei ist Burchett nicht der einzige Leidtragende der Entgleisungen. Nach dem peinlichen Zwischenfall erzählte auch der ehemalige Abgeordnete Adam Kinzinger in einem neuen Buch, dass McCarthy ihn zwei Mal aggressiv angerempelt habe, als er auf dem Kapitolshügel arbeitete. 

Provokationen im Senat

Dabei lieferte McCarthy dieser Tage nicht das einzige Beispiel für den Verfall der guten Sitten und die Bereitschaft zu physischer Aggression unter US-Politikern. Mit harten Bandagen wird auch im Senat gekämpft, wobei die obere Kammer des US-Parlaments ja eigentlich als "Gentleman's Club" gilt, in dem die Mitglieder einen korrekten und respektvollen Umgangston pflegen. So lief eine Anhörung aus dem Ruder, die sich eigentlich mit der Frage befassen sollte, welch positiven Einfluss Gewerkschaften auf das Leben arbeitender Familien haben. 

Senator Markwayne Mullin aus Oklahoma las mehrere Tweets vor, die Sean O'Brien, Präsident der Fernfahrergewerkschaft Teamsters gepostet hatte. Darin nannte O'Brien, der gerade als Zeuge vor dem Senat aussagte, den gewerkschaftskritischen Politiker einen "Betrüger" und "Feigling". Mullin wisse, wo er den Gewerkschaftsboss finden könne, schrieb der Teamsters-Chef. "Jederzeit und an jedem Ort, Cowboy", legte er mit einer weiteren Provokation nach.

Der Tweet schien dem Politiker und ehemaligen Mixed Martial Arts Kämpfer so unter die Haut gegangen zu sein, dass er aufstand und O'Brien aufforderte, sich mit ihm im Senatsplenum zu prügeln. Erst, als der 82-jährige Ausschussvorsitzende Bernie Sanders in die undankbare Rolle des Schiedsrichters schlüpfte und die Worte schrie "Setzen Sie sich hin, Sie sind schließlich ein US-Senator!", schien die Gefahr eines Käfigkampfs gebannt zu sein.  

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