Abgebrühter Ausstieg
Kaffeeindustrie
Abgebrühter Ausstieg
Von Martin Dunzendorfer
Wenn scheinbar alle Welt positive Voraussagen für ein Produkt, ein Unternehmen, eine Branche oder einen Markt abgibt, ist höchste Vorsicht geboten. Denn durchweg optimistische Wachstumsprognosen haben sich oft als Kontraindikator herausgestellt. Dies droht nun dem Kaffeemarkt, dem von Marktforschern und Analysten bis vor kurzem eine goldene Zukunft vorausgesagt wurde. Die verstärkte Fokussierung von diversifizierten Lebensmittelherstellern auf das Warmgetränk und zahlreiche M&A-Transaktionen unterstrichen dies. Doch das glänzende Bild hat Risse bekommen. Stark steigende Preise für Rohkaffee und Handelskonflikte weltweit haben die Aussichten für das Geschäft mit dem Wachmacher eingetrübt. Ist es eine Indikation für den Branchenabschwung, dass sich die deutsche Unternehmerfamilie Reimann mit einer M&A-Transaktion fast vollständig aus dem Kaffeegeschäft zurückzieht?
Keurig Dr Pepper zahlt fast 16 Mrd. Euro für Kaffeeröster JDE Peet´s
Anfang der Woche hat der US-Getränkekonzern Keurig Dr Pepper die Übernahme des in Amsterdam gelisteten Kaffeeriesen JDE Peet’s (Jacobs, Café Hag, Senseo, Tassimo etc.) für 15,7 Mrd. Euro angekündigt. An beiden Unternehmen sind die Reimanns beteiligt: an Keurig Dr Pepper – nachdem über die vergangenen Jahre sukzessive Aktienpakete verkauft wurden – nur noch mit gut 4%, an JDE Peet’s über ihre Holding JAB aber mit rund 68%. Für diese Kontrollmehrheit dürfte der Großaktionär etwa 10 Mrd. Euro erhalten. Beide Beteiligungen sind wichtige Vermögenswerte im globalen Portfolio der Reimanns, das zudem Kosmetik- und Parfümhersteller umfasst. Außerdem baut die Investmentgesellschaft JAB gerade das Geschäft mit Tierkliniken und -versicherungen aus.
Nach der Verschmelzung von Keurig Dr Pepper und JDE Peet’s sollen die Bereiche Getränke und Kaffee voneinander getrennt werden, wobei der Unternehmensteil „Global Coffee“ mit einem Pro-forma-Umsatz von 16 Mrd. Dollar etwa um die Hälfte größer sein wird als „Beverage“. Beide Firmen, an denen die Reimanns dann je circa 5% halten werden, sollen in den USA gelistet werden.
Marktführer Nestlé hat sich verzettelt
„Global Coffee“ wäre der weltweit größte reine Kaffeekonzern und könnte dann Marktführer Nestlé (Nescafé, Nespresso, Caro etc.) leichter Paroli bieten. Der Lebensmittelriese aus der Schweiz sieht im Kaffeegeschäft einen seiner wachstumsstärksten Bereiche, auch wenn die Aussage des vor einem Jahr geschassten CEO Mark Schneider – „Wir haben vier Wachstumsbereiche definiert: Kaffee, Tierfutter, Babynahrung und Wasser. Und zwar genau in dieser Reihenfolge.“ – so nicht mehr wiederholt wird. Zum Rausschmiss Schneiders hat beigetragen, dass er kleine Unternehmen, die angesagte Kaffeespezialitäten anboten, zu Preisen mit hohen Multiples kaufte, die dann offenbar nicht so performten wie erwartet.
Eher wird an Kleinkindern gespart als an Haustieren
Zu den Segmenten, mit denen Nestlé bis heute überdurchschnittliches Wachstum erreichen will, gehört das Haustiergeschäft – in das nun auch die Familie Reimann investiert. Nach Studien sparen Verbraucher rund um ihre Haustiere zuletzt; sogar an den Ausgaben für Kleinkinder wird eher der Rotstift angesetzt.
Wie andere Kaffeeanbieter werden auch Nestlé, JDE Peet’s und Keurig Dr Pepper sowie deutsche Röster wie Tchibo, Dallmayr, Melitta und Darboven von gestiegenen Preisen für Rohkaffee belastet. Das hat mehrere Gründe, u.a. wetterbedingte Ernteausfälle und spürbar verschärften Wettbewerb im Einkauf. So wächst die Nachfrage aus Indien und China – die zusammen auf 35% der Weltbevölkerung kommen –, was die Kosten in die Höhe treibt. Eine Sondersituation hat sich in Amerika ergeben: Anfang des Monats hat US-Präsident Donald Trump einen Einfuhrzoll von 50% auf Kaffeebohnen aus Brasilien verhängt, der die Kaffeepreise im Land weiter steigen lassen dürfte. Allerdings dürften die höheren Kosten noch weniger als in anderen Weltregionen durch Anhebung der Verkaufspreise vollständig an die Konsumenten weitergegeben werden können. Die Margen der Kaffeeproduzenten werden also unter Druck geraten.
Ausstieg nahe am Stimmungshoch
Die Familie Reimann könnte noch nahe am Höhepunkt positiver Wachstums- und Renditeperspektiven aus dem Kaffeegeschäft ausgestiegen sein – ähnlich wie es die Familie Viessmann während des Hypes um Wärmepumpen mit ihrer dominierenden Heiz- und Klimatechniksparte tat. Der Deal könnte somit auch zum Startschuss für eine Neuordnung der US-Getränkebranche bzw. der weltweiten Kaffeeindustrie werden.
Die Übernahme von
JDE Peet´s durch Keurig Dr Pepper könnte der Startschuss für die
Neuordnung der
weltweiten Kaffee-
industrie sein.