Notiert in Washington

Kampf um Amerikas Rasenflächen

Die grünen Rasen in den Gärten amerikanischer Privathäuser sind aus der Sicht der Eigentümer ein wichtiges Symbol für Wohlstand und Erfolg. Diesen Traum wollen Organisationen, die in Rasenflächen eine Gefahr für die Umwelt und insbesondere die Biodiversität sehen, nun zerschlagen. Sie haben aber mit Widerstand zu kämpfen.

Kampf um Amerikas Rasenflächen

Notiert in Washington

Kampf um Amerikas Rasen

Von Peter De Thier

Er ist seit dem 19. Jahrhundert der Stolz von US-Eigenheimbesitzern und wird als Symbol für Wohlstand sowie die Erfüllung des American Dream angesehen. Der weiche, perfekt gemähte, dunkelgrüne Rasen, frei von Unkraut, der jedem Passanten den Eindruck vermittelt, dass der Eigentümer seine Immobilie mit allem Drum und Dran sorgfältig pflegt und kultiviert. Nun aber gerät eine alte Tradition, ein Statussymbol für Millionen von Menschen, ins Wanken. Denn zum Schutz der Biodiversität fordern immer mehr Politiker und Umweltorganisationen, dass ihre Mitbürger nicht nur den Übergang zu erneuerbaren Energien vorantreiben. Mittlerweile verlangen sie auch, dass stolze Hauseigentümer auf ihre geliebten Grünflächen verzichten.

Mehr als 80% aller Eigenheime in den USA haben einen eigenen Rasen, und wie Satellitenbilder der Raumfahrtbehörde Nasa ergeben haben, überziehen sie 2% der gesamten Fläche der Vereinigten Staaten. Folglich sind in den letzten Jahren Organisationen, deren einzige Mission darin besteht, diese Zahlen deutlich zu reduzieren, wie Pilze aus dem Boden geschossen. So argumentieren Vertreter der „No Mow“-Bewegung, die Rasenmäher verbieten wollen, dass diese den CO2-Ausstoß erhöhen und somit die globale Erwärmung beschleunigen. Andere weisen darauf hin, dass die Grasflächen wertvolles Trinkwasser verschlingen und das Aussterben gefährdeter Tierarten praktisch garantieren.

So benötigen private Rasen und Gärten nach Angaben der Umweltbehörde Environmental Protection Agency (EPA) jeden Tag etwa 35 Mrd. Liter Wasser, ein Drittel des gesamten Wasserverbrauchs aller Haushalte. Robb Baumann, Gründer des Gartenbaubetriebs True Leaf Market und ein Anhänger der  „Anti-Rasen-Bewegung“ („anti-lawn movement“), weist darüber hinaus auf Gefahren für Bienen, andere Pollenspender und Tierarten wie die berühmten Monarch-Schmetterlinge hin, die Seidenpflanzen und andere krautige Gewächse für die eigene Reproduktion benötigen. „Jeder Garten sollte daher Krautpflanzen haben“, fordert Baumann. Besser für die Umwelt sei Unkraut allemal als jene chemischen Dünger, für die Haushalte dieses Jahr Experten zufolge 3,3 Mrd. Dollar ausgeben werden, um ihr Gras sauber zu halten.

Doch in einer freien Marktwirtschaft, wo Eingriffe in die Privatsphäre ungern gesehen und schon gar nicht geduldet werden, wenn es darum geht, auf den Umgang mit dem geschätzten Rasen einzuwirken, reagieren Hausbesitzer ausgesprochen empfindlich. Folglich zögern Eigentümerverbände nicht, rebellische Nachbarn, die auf die Pflege verzichten, Unkraut wachsen oder ihre Grünfläche austrocknen lassen, zu verklagen – häufig mit Erfolg. Schwerer haben sie es allerdings, gegen politische Strömungen anzukämpfen, die in Kalifornien begonnen haben, langsam aber auch Eingang in die Hallen des Kapitols in Washington finden.

So hat das Staatsparlament in Kalifornien ein Verbot aller benzinbetriebenen Rasenmäher verabschiedet, das nächstes Jahr in Kraft treten wird. Großstädte wie Boston und der Staat New York erwägen, nicht nur auf den Einsatz von Rasenmähern mit Geldstrafen zu reagieren. Sie könnten auch die populären Laubbläser verbieten, die sich bei Hauseigentümern großer Beliebtheit erfreuen, die lieber den Tank nachfüllen, als selbst zur Harke zu greifen und im Herbst die trockenen Blätter vom Gras zu entfernen.

Zwar stoßen die Vertreter der Anti-Lawn-Bewegung im Kongress teilweise auf offene Ohren. So haben linksliberale Parlamentarier, deren politische Agenda vom Kampf gegen den Klimawandel und dem Schutz der Biodiversität geprägt ist, über bundesweite Verbote von Gartengeräten diskutiert, die den Einsatz fossiler Energien erfordern. Entsprechende Gesetze werden aber noch auf sich warten lassen. Immerhin haben Republikaner zumindest bis zur nächsten Wahl die Mehrheit im Repräsentantenhaus, und von Initiativen, mit denen die fossile Energie weiter benachteiligt würde, wollen sie nichts wissen. 

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