Notiert inMoskau

Karol Nawrocki und die russischen Gurken

Die Feindschaft und Rivalität zwischen Polen und Russland ist legendär. Manche haben Angst, dass sie durch den neuen polnischen Präsidenten aufgeweicht werden könnten.

Karol Nawrocki und die russischen Gurken

Notiert in Moskau

Exporterfolg für russische Gurken

Von Eduard Steiner

In Sachen Russland war man in Polen schon immer kompromisslos. Während etwa in der Slowakei, in Ungarn oder Rumänien regelmäßig ernst zu nehmende Politiker mit prorussischen Positionen aufhorchen lassen, war und ist in Polen die Rivalität mit Moskau tief in die DNA eingebrannt. In Moskau umgekehrt ebenso. Und das seit Jahrhunderten.

Ein Teil der Rivalität rührt vom polnisch-russischen Krieg zwischen 1609 und 1618, als Polen Moskau besetzte. Nicht zufällig sind Minin und Poscharski, die Anführer und Sieger im Volksaufstand gegen die polnische Intervention, russische Nationalhelden und wurden mit einem Denkmal auf dem Roten Platz geehrt. Mehr noch: Der nationale Feiertag, der zum Gedenken an diese Befreiung im Russischen Reich am 4. November jedes Jahres begangen und später von den Sowjetherrschern abgeschafft worden war, wurde 2005 von Kremlchef Wladimir Putin wieder eingeführt als „Tag der nationalen Einheit“.

Rivalität seit Jahrhunderten

Die polnische Rivalität mit Moskau ist auch im Hinblick auf die Ukraine offensichtlich – und zwar schon lange vor dem russischen Angriff. Polen ist einer der wichtigsten Unterstützer der Ukraine. Das geht sogar so weit, dass westliche Manager beim Transit durch Polen Richtung Belarus und Russland immer wieder von Schikanen polnischer Grenzbeamter berichten. Wer mit Russland zu tun hat, soll den polnischen Unmut wohl auch zu spüren bekommen.

Es ist nicht anzunehmen, dass sich am polnisch-russischen Verhältnis in absehbarer Zeit viel ändern wird. Aber dass Karol Nawrocki, der als der rechtskonservative Kandidat die polnische Präsidentenwahl am Sonntag für sich entschieden hat, gegen einen Nato-Beitritt der Ukraine ist und im Wahlkampf auch die Nähe zu US-Präsident Donald Trump suchte, hat dann doch für Hellhörigkeit gesorgt.

Unlauterer Wettbewerb

Vielleicht aber sind die Polen auch nur pragmatischer, als es scheint. Andernfalls ließe sich schwer erklären, dass Polen im März 2.100 Tonnen Gurken im Wert von 2,7 Mill. Euro aus Russland importiert hat – 87% der polnischen Gurkenimporte insgesamt, ein Anstieg um 25% zum Vorjahr. Quasi Peanuts also. Doch der polnische Verband der Tomaten- und Gurkenproduzenten sieht das mitnichten so. Angesichts der Zahlen fordert er nun einen Importstopp für russische Gurken gleich für die ganze EU.

Als Begründung führt Verbandschef Łukasz Gwizdała an, dass es sich hier um unlauteren Wettbewerb handle. Die polnischen Gurkenproduzenten müssten ihre Gewächshäuser nämlich mit teurer Kohle beheizen, während die russischen Produzenten von der günstigeren Energie in ihrem Land profitierten. Und dann seien da noch, sagte er, die Vorgaben der EU hinsichtlich Qualität und Erzeugung.

Sehen wir es positiv: Vielleicht ist die Debatte über die Gurkenpolitik ja der erste Riss in einer jahrhundertelangen Feindschaft, weil es plötzlich nur noch um Fragen des Dumpings und des wirtschaftlichen Wettbewerbs geht.

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