Katalonien nervt in Brüssel
Notiert in Madrid
Katalonien nervt in Brüssel
In Zeiten der Dauerkrise von Pandemie, Krieg, Inflation und der wirren US-Zollpolitik wirken manche Probleme von früher aus heutiger Sicht beinahe harmlos. Im Herbst 2017 bewegten die Spannungen in Katalonien rund um das illegale Referendum über die Unabhängigkeit von Spanien die Anleihemärkte in Europa. Die Sache endete mit dem Eingriff des Zentralstaats. Die Anführer der Separatisten landeten für eine Zeit im Gefängnis oder gingen ins Exil, wie der damalige katalanische Ministerpräsident Carles Puigdemont, der weiterhin im belgischen Waterloo residiert. Heute kümmert der schwelende Konflikt um die Emanzipationswünsche eines Teils der katalanischen Gesellschaft außerhalb des Landes kaum noch jemanden. Doch in Spanien hat das Thema entscheidenden Einfluss auf die Politik. Die Minderheitsregierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez hängt im Parlament von den Stimmen der beiden separatistischen Parteien ERC und Puigdemonts Junts ab. Das hat seinen Preis.
Sorge vor Nachahmern
Spaniens Diplomaten nerven ihre Kollegen in Europa seit einiger Zeit mit dem Anliegen, dass die ko-offiziellen Sprachen Katalanisch, Baskisch und Galicisch auch in der Europäischen Union Amtssprachen werden sollen. Es sei eine Frage der „nationalen Identität“, so Außenminister José Manuel Albares. Doch in Brüssel und den meisten Hauptstädten, darunter Berlin, beißen die Spanier mit dieser Forderung auf Granit. Man sorgt sich um die Kosten und den möglichen Nachahmeffekt für andere Sprachgruppen in Europa. Schließlich müssten in jeder Gremiumssitzung entsprechende Dolmetscher sitzen. Die Europäische Kommission verweist darauf, dass sie über ihre Vertretung in Barcelona Anliegen der Menschen auf Katalanisch bearbeite.
Mit dem Anliegen seiner katalanischen Partner läuft Sánchez in Brüssel gegen die Wand. Vor kurzem gab die Kommission ein negatives Urteil über das Amnestiegesetz für die Beteiligten der Vorfälle rund um das Referendum ab. Brüssel meint, dass die Maßnahme nicht „dem allgemeinen Interesse“, sondern eher den politischen Bedürfnissen von Sánchez diene. Schließlich eröffnete die Kommission ein Verfahren gegen Spanien wegen der Einmischung der Regierung in den Übernahmekampf von BBVA für Banco Sabadell. Das Wirtschaftsministerium in Madrid hatte unerwartet hohe, zusätzliche Auflagen für das feindliche Angebot erlassen. In Katalonien gibt es heftigen Widerstand von Politik, Gewerkschaften und Unternehmerverbänden gegen den Kauf von Sabadell, mit Caixabank das große Aushängeschild der katalanischen Finanzen. Der Versuch der Regierung, die Bankübernahme zu vereiteln, ist eine weitere politische Geste von Sánchez an die Separatisten. Die vielen Bemühungen um die Anliegen der katalanischen Nationalisten sind immerhin nicht zum Schaden der Sozialisten von Sánchez. Sein Parteifreund Salvador Illa, der letztes Jahr nach über zwei Jahrzehnten die Separatisten an der Macht in Barcelona ablöste, liegt in den Umfragen weiter vorn.