LeitartikelDigitaler Euro

Katastrophenszenario für die EZB

Brüssel zeigt dem digitalen Euro die kalte Schulter. Derweil drohen private Stablecoins das Zentralbankgeld zu verdrängen. Es braucht eine Balance, die Innovationen nicht verhindert.

Katastrophenszenario für die EZB

DIGITALER EURO

Katastrophenszenario für die EZB

Von Björn Godenrath

Brüssel zeigt dem digitalen Euro die kalte Schulter. Derweil drohen private Stablecoins das Zentralbankgeld zu verdrängen. Es braucht eine Balance, die Innovationen nicht verhindert.

Geschäftsbanken und Notenbanken prallen derzeit mit einer Wucht aufeinander, wie man sie noch nicht erlebt hat. Zankapfel ist das weitere Vorgehen bei Stablecoins vis-à-vis digitalem Zentralbankgeld, das zum einen als Retail CBDC (Digitaler Euro) und zum anderen als Wholesale CBDC für den großvolumigen Interbanken-Zahlungsverkehr vor allem im Wertpapiergeschäft kommen soll.

Es befindet sich reichlich Sand im Getriebe

Eines der Problemfelder: So wie die USA bei Dollar-Stablecoins und Marktinfrastruktur-Gesetzgebung voranpreschen, kommen EZB und europäische Institutionen unter Druck, dem etwas entgegenzusetzen, was dem EU-Kapitalmarkt Antrieb gibt. Da befindet sich aber reichlich Sand im Getriebe, haben EU-Parlamentarier und Finanzminister angesichts einer latenten Staatsschuldenkrise doch ganz andere Sorgen, womit eine Einigung zum digitalen Euro allen Lippenbekenntnissen zum Trotz weit unten auf der Agenda steht.

Blamables Verhalten der EU-Finanzminister

Es ist sogar noch viel schlimmer: Die EU-Finanzminister haben bei ihrem letzten Treffen rein gar nichts zum digitalen Euro beschlossen und sich lediglich zugesichert, dass sie das letzte Wort haben, wenn das Haltelimit für dieses neue Zahlungsmittel beschlossen wird – denn das hätte Einfluss darauf, was bei den Banken an Depositen abfließen könnte.

Das ist ein wichtiger Punkt für die Finanzstabilität, damit Banken ihre Kreditvergabe-Basis sichern. Wobei sich da ein Zielkonflikt ergibt, braucht die Retail CBDC doch Volumen, um marktrelevant zu sein.

Der Berichterstatter des Parlaments ist kein Freund des EZB-Projektes

Doch während da ein klassischer politischer Kompromiss möglich ist, entwickelt sich im EU-Parlament ein Katastrophenszenario für die EZB. Der Berichterstatter des Parlaments hinterlässt den Eindruck, dass er gar keinen digitalen Euro will. Der Unwille im Parlament, mit dem digitalen Euro ein Zahlungsmittel durchzuwinken, dem Akzeptanzprobleme drohen und das als Überwachungsinstrument missbraucht werden könnte, ist doch spürbar.

Langer Weg bis zum Trilog

Der weitere Ablauf in Brüssel ist dann in etwa so zäh wie getrocknete Lava: Seinen Bericht wird Fernando Navarrete Rojas Ende Oktober abliefern. Dann haben die übrigen Abgeordneten Zeit, ihre Anmerkungen in Form von weiteren Detailvorschlägen dazuzugeben, woran sich eine Diskussion im Parlament anschließt, was in eine gemeinsame Position münden sollte – gesichert ist das nicht. Frühestens Ende des ersten Quartals 2026 dürfe den Auguren zufolge das Parlament seine gemeinsame Position gefunden haben. Erst dann kann der Trilog starten, der seine eigenen Untiefen hat.

Wie soll Europa so wettbewerbsfähig sein?

Angesichts dieses bürokratischen Dramas muss die Frage erlaubt sein: Wie soll ein Wirtschafts- und Währungsraum mit solch quälend langen Prozessen wettbewerbsfähig sein? Diese Frage spukt wohl auch den Banken im Hinterkopf herum, die sich verbündet haben, um einen Euro-Stablecoin auf den Weg zu bringen. Der könnte zum einen im gewöhnlichen Zahlungsverkehr eingesetzt werden, aber vor allem im Wertpapier-Settlement auf DLT-Infrastruktur für eine friktionsfreie Abwicklung sorgen.

Das Petitum der Bundesbank

Damit könnte er aber das bei Großbetrags-Transaktionen verwendete Zentralbankgeld verdrängen. Und genau das ist es, worüber sich Bundesbank-Chef Joachim Nagel auf der Sibos not very amused zeigte. Die Ankerfunktion des Zentralbankgeldes dürfe nicht geschwächt werden, und Zentralbanken würden keine Entwicklungen hinnehmen, die ihre Fähigkeit „zur wirksamen Umsetzung unserer Geldpolitik“ schwächen würde, legte Nagel sich ins Zeug.

Banken können nicht ewig warten

Da hat er natürlich Recht. Gleichzeitig kann man von den Banken nicht verlangen, dass sie bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten, bis eine marktfähige Wholesale CBDC nebst Notenbank-Infrastruktur bereitsteht. Man kann ja mit dem bloßen Auge aus der Ferne sehen, wie die US-Banken schon wieder an uns vorbeiziehen. Deshalb tun die Institute um DekaBank, ING und Unicredit auch genau das Richtige und bauen eine Stablecoin-Maschine auf, die zusätzliche Nachfrage für europäische Staatsanleihen schafft, die es zur Deckung eines Euro-Stablecoin braucht. Das stärkt die Kapitalallokation Richtung Europa.

Stablecoins kleinzuhalten, hilft dem Euro nicht

Wobei die Banken und die jüngst mit dem Stablecoin-Konzern Circle verbündete Deutsche Börse auch mit Freude eine Wholesale CBDC einsetzen werden auf ihren Plattformen. Denn die Banken haben verinnerlicht, welch hohes Gut die Finanzstabilität darstellt. Notenbanken und Gesetzgeber sind aufgefordert, eine Balance zu finden, die Innovationen der Privatwirtschaft nicht behindert und gleichzeitig die Relevanz des Zentralbankgeldes bewahrt. Denn eins ist klar: Stablecoins kleinzuhalten, hilft dem Euro nicht. Ganz im Gegenteil: Europa braucht die durch Stablecoins entstehenden money flows, um sich im Wettbewerb mit dem Dollar zu stärken.