Katerstimmung in Frankreichs Weinbergen
Katerstimmung im Weinberg
Selbst in berühmten französischen Weinanbaugebieten wie Bordeaux und den Côtes du Rhône kämpfen Winzer mit finanziellen Schwierigkeiten.
Von Gesche Wüpper, Paris
Die Weinernte in Bordeaux, dem größten Anbaugebiet Frankreichs, dürfte in diesem Jahr geringer als in den Vorjahren ausgefallen, da viele Weinstöcke von Falschen Mehltau befallen waren.
Ein kleiner Ort in der Nähe von Bordeaux. Auf den Straßen von Podensac sind an diesem Samstag nur wenige Autos unterwegs. Doch die Verkostungstische im Maison des Vins des Graves sind bis auf den letzten Platz besetzt. Das Interesse für die Appellation, die sich rühmt, dass die Römer hier einst die ersten Weinberge im Anbaugebiet von Bordeaux anlegten, ist groß.
Ein verheißungsvoller Klang
Bordeaux – allein der Name klingt nach Prestige und prachtvollen Châteaux. Und doch steckt die berühmte Weinbauregion in der Krise. Auch in anderen bekannten französischen Anbauregionen wie den Côtes du Rhône kämpfen Winzer mit finanziellen Schwierigkeiten. Mit staatlicher Hilfe sollen deshalb Weinberge stillgelegt, Rebstöcke herausgerissen und Wein zu Alkohol destilliert werden.
Die Gründe für die Krise sind vielfältig. Da ist zum einen die Überproduktion, die auch andere Weinbaunationen wie Italien, Spanien und Australien betrifft. Da sind zum anderen die sich ändernden Konsumgewohnheiten.
Zusätzlich hat das Anbaugebiet Bordeaux wie der gesamte Südwesten in diesem Jahr wegen der Witterungsbedingungen besonders stark mit dem Falschen Mehltau zu kämpfen. In einer ersten Schätzung sprach die Landwirtschaftskammer des Départements Gironde davon, dass rund 90% der Weinberge betroffen seien.
Rotwein zieht nicht mehr
Damit nicht genug, denn ausgerechnet die Franzosen trinken immer weniger Wein. So ist der jährliche Weinkonsum in Frankreich zwischen 1960 und 2020 von 120 Liter pro Kopf auf weniger als 40 Liter gesunken. Vor allem jüngere Verbraucher ziehen inzwischen Bier, Cocktails und Schaumwein den stillen Weinen vor.
Entsprechend ist der Marktanteil von Wein an den Spirituosenverkäufen von Supermärkten und Internethändlern in Frankreich von 2017 bis 2022 nach Angaben des Marktforschungsinstituts Circana von 36% auf 30,6% zurückgegangen, während der Anteil von Bier von 44,8% auf 51,9% gestiegen ist.
Vor allem Rotwein zieht nicht mehr. "Der Rotweinverbrauch in Frankreich ist innerhalb von fünf Jahren um 38% eingebrochen", sagt Jean-Philippe Perrouty, der Frankreich-Chef des auf Spirituosen spezialisierten Marktforschungsinstituts IWSR. Weltweit sieht die Tendenz ähnlich aus. Rotwein ist deutlich weniger gefragt als Weißwein und Rosé.
Gegenwind beim Export
Vor allem günstige Weine und Tropfen der mittleren Preisklasse seien betroffen, sagt Christophe Chateau, Kommunikationschef des Branchenverbandes der Bordeaux-Weine CIVB (Conseil Interprofessionnel des Vins de Bordeaux). Den großen Namen gehe es dagegen im Großen und Ganzen gut.
Früher hätten viele Franzosen jeden Tag mittags und abends Wein aus diesen Preiskategorien getrunken, erklärt Chateau. Jetzt dagegen würden sie nicht mehr so oft Wein trinken, dafür aber höherpreisigen. Statt Diners mit mehreren Gängen treffe man sich häufiger zu einem Apéritif. Das spiegele sich auch im Weinkonsum wider. Statt schweren Rotweinen sind Rosé- und Weißweine stärker gefragt. Bei jungen Verbrauchern kommt zudem Schaumwein gut an. So haben die Crémants de Bordeaux vom Volumen her zuletzt zweistellige Zuwachsraten verbucht.
Laut Studien dürfte sich der Rückgang des Weinkonsums in Frankreich fortsetzen, meint Chateau. Konnte der Export früher das sinkende Interesse französischer Verbraucher ausgleichen, so gab es für das berühmte Anbaugebiet auch in seinen wichtigen Exportmärkten zuletzt immer mehr Gegenwind.
Seit 2019 hätten die Bordeaux-Weine viele Rückschläge einstecken müssen, erklärt der CIVB. Neben dem Rückgang der chinesischen Weinimporte bekam das Anbaugebiet die politische Krise in Hongkong, eine von Ex-Präsident Donald Trump in den USA eingeführte Steuer, den Brexit, die Coronakrise, den Ukraine-Krieg und die Inflation zu spüren.
Vom Volumen her sind die Exporte der Bordeaux-Weine deshalb vergangenes Jahr um 7% eingebrochen. Dank der höherwertigen Positionierung vieler Tropfen konnten sie vom Wert her jedoch um 1% auf 2,36 Mrd. Euro zulegen. In der Zeitspanne von August 2022 bis Ende Juli 2023 hat das bekannte Anbaugebiet mit 2,4 Mrd. Euro nach Angaben des CIVB-Kommunikationschefs sogar einen neuen Exportrekord eingefahren.
Umstrittene Prämie
Doch die Zahlen verbergen die finanziellen Schwierigkeiten, mit denen viele der Winzer in Bordeaux kämpfen. Ein Beleg für die Krise sind die Anträge, die beim Branchenverband CIVB eingegangen sind, um Weinberge stillzulegen und Rebstöcke herauszureißen. 1.085 der insgesamt über 5.000 Winzer haben sich dafür gemeldet. 9.251 Hektar des insgesamt 110.000 Hektar großen Anbaugebietes sollen stillgelegt werden.
Dafür sollen die Winzer eine Prämie von 6.000 Euro je Hektar erhalten. Finanziert wird das Hilfsprogramm vom französischen Staat, der Region Nouvelle Aquitaine und der EU-Kommission. Deren grünes Licht steht jedoch noch immer aus.
Zusätzlich dazu hat Frankreich einen Plan zur Destillation von drei Millionen Hektolitern Wein zu Alkohol für 160 Mill. Euro beschlossen. Allerdings übersteigt die Nachfrage das Angebot, denn Winzer aus Bordeaux und dem Languedoc haben sich für die Destillation von 4,4 Millionen Hektolitern beworben.
Der Hilfsplan für die Rodungen sei nicht ausreichend, finden Branchenvertreter. "Die Rechnung geht nicht auf", sagt Didier Cousiney. Der Winzer hat zwar seinen Weinbaubetrieb verkauft, engagiert sich aber immer noch für das Winzerkollektiv Viti 33. Es sei nicht genügend Geld da, meint er. Zudem müssten zwei Drittel der gerodeten Parzellen denaturiert werden.
Kosten nicht gedeckt
Sie müssen 20 Jahre lang gepflegt werden, ohne dass die Winzer die Möglichkeit haben, sie anders zu bewirtschaften, etwa zum Anbau von Nahrungspflanzen. "Es steht außer Frage, dass meine Flächen 20 Jahre lang blockiert sind", sagt Winzer Eric Etienne, der sich ebenfalls bei Viti 33 engagiert. Auch er findet die Prämie nicht hoch genug, denn allein das Herausreißen der Rebstöcke koste 2.000 Euro, erklärt er. Das Kollektiv hatte eigentlich eine Prämie von 10.000 Euro je Hektar gefordert.
Etienne hat zu Beginn des Jahres einen seiner wichtigsten Kunden verloren, einen Großhändler aus Bordeaux, der bisher einen wichtigen Teil seiner Produktion für eine Einzelhandelsgruppe abgenommen hat. Finanziell ginge es nicht mehr, sagt Winzer Etienne. Vor allem weil die Preise inzwischen zu stark gefallen seien. Für ein Fass werde 850 Euro gezahlt, doch die Produktionskosten lägen bei 1.000 Euro.