KommentarSiemens Healthineers

Konzern mit zwei Gesichtern

Siemens Healthineers hat ein Problem. Nach der zugekauften Sparte Labordiagnostik erfüllt auch der erworbene Roboterspezialist Corindus die Erwartungen nicht. Ist dies ein Zufall oder hat es System?

Konzern mit zwei Gesichtern

Siemens Healthineers

Konzern mit zwei Gesichtern

Von Michael Flämig

Im Fall von Siemens Healthineers weiß man manchmal gar nicht, wohin man schauen soll. Der Spezialist für Medizintechnik hat zwei Gesichter, die er paradoxerweise zeitgleich zeigt. Auch der Kapitalmarkt ist hin- und hergerissen. Zuweilen fokussiert er sich auf das exzellente Geschäft mit Computertomografen & Co. und stuft Healthineers als Tagessieger im Dax ein – so wie nach Vorlage der Zahlen des ersten Quartals.

Drei Monate später läuft die Traditionssparte Imaging weiterhin hervorragend, und die Jahresprognose wird mit leichten Präzisierungen bestätigt. Doch der Blick richtet sich im Mai auf die Zukäufe: Die Labordiagnostik schwächelt, Advanced Therapies meldet eine Abschreibung, und die Marge des zugekauften Strahlenspezialisten Varian kommt nicht aus den Startlöchern. Siemens Healthineers landet mit Abstand am Ende des Dax.

Der Wertverlust ist keine Katastrophe. Schließlich steht der Konzern in etwa wieder dort, wo er nach dem Dax-Tagessieg im Februar gelandet war. Trotzdem ist die Börsenreaktion ein Alarmzeichen. Der entscheidende Faktor ist nicht die Abschreibung auf den Zukauf Corindus, der mit 329 Mill. Euro zu Buche schlägt. Diese Buch-Korrektur mindert voraussichtlich die Dividende nicht.

Wirklich zum Haareraufen ist dagegen, dass die Sparte Diagnostics im Kerngeschäft schon wieder die Ziele für ein Geschäftsjahr senken muss. Sicherlich: Der Vorstand hat die Probleme erkannt, und der Umbau der Sparte läuft. Außerdem hat das Management gute Gründe dafür, dass es in den ersten sechs Monaten einen Misserfolg gab:  China war zeitweise ein Komplettausfall, und aufgrund der Transformation beschäftigt sich die Sparte viel mit sich selbst statt mit den Kunden.

Nur: Gute Gründe für die Underperformance der Labordiagnostik-Sparte hatte der Vorstand bei jeder Zielverfehlung parat. Irgendwann reicht es. Aktuell ist besonders besorgniserregend, dass nicht nur ein Gewinn fehlt, sondern auch der Umsatz nicht vom Fleck kommt. Dies bedeutet, dass Healthineers beständig Marktanteile verliert. Die Schlussfolgerung: Der laufende Umbau muss die letzte Chance für die Sparte sein.

An dieser Stelle gewinnt die Corindus-Abschreibung an Bedeutung. Denn wie in der Labordiagnostik verfehlt wieder eine erworbene Firma die Erwartungen. Ist dies ein Zufall oder hat es System? Mit dem jüngsten Zukauf Varian darf dies nicht passieren, weil er viel größer als Corindus ist. Es irritiert, dass das Urgestein Chris Toth dort den CEO-Posten aufgibt und Siemens verlässt. Hoffentlich ist dies kein schlechtes Omen.

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