Notiert inSchanghai

KI-Studiengenie greift nach Doktortitel

In China wird ein humanoider Roboter auf Bildungstrip geschickt. Er soll ein komplettes Studium an der Shanghai Theater Academy mit Aussicht auf PhD-Abschluss durchlaufen.

KI-Studiengenie greift nach Doktortitel

Notiert in Schanghai

KI-Studiengenie greift nach Doktortitel

Von Norbert Hellmann

Seit dem Durchbruch mit dem chinesischen Chatbot-Modell DeepSeek gibt es kein Halten mehr. Millionen von Chinesen leisten sich Fortbildungskurse für die Anwendung von Künstlicher Intelligenz (KI). Vom Livestreamer und Online-Obstverkäufer bis zum Juwelendesigner und Zahntechniker eignet man sich auf Abendschulen und in Wochenendseminaren potenziell geschäftsförderndes Know-how an. Auch die Hochschulen haben aufgerüstet. Das neue akademische Jahr wartet mit Dutzenden neuer Studiengänge und akademischer Abschlüsse auf, um eine neue Generation von KI-gestählten Informatikern heranzuzüchten.

Humanoider Bildungsweg

Dass KI-Fähigkeiten zum absoluten Muss gehören, um in der modernen Gesellschaft beruflich zu bestehen, mag einleuchten. Eine ganz andere Frage ist aber, wie humanoide Roboter, an deren Massenproduktion sich bereits Dutzende von chinesischen Startups herantasten, in der akademischen Welt bestehen können. Es geht ja vielleicht auch darum, die „Workforce“ der Zukunft entsprechend hochgebildet in die moderne Gesellschaft zu integrieren.

Programmierter Streber

In Schanghai läuft das weltweit erste Experiment mit einem humanoiden Roboter, der an einer Hochschule eingeschrieben wurde. Sein Name ist Programm. Er wurde Xueba 01 getauft, ein vieldeutiger Begriff, mit dem Chinesen ehrfürchtig oder mokierend jemanden als Studienhelden oder Lernverrückten bezeichnen. Der metallische Körper des Superstrebers basiert auf dem Robotermodell Xingzhe (Walker S2) von UBTech Robotics, einem führenden Hersteller mit Ambitionen zur Massenproduktion von humanoiden Industrie- und Haushaltsrobotern.

Die STA-Studenten empfinden die Bewegungsabläufe ihres neuen Kommilitonen als noch etwas schwerfällig. Am Aussehen gibt es jedoch wenig auszusetzen. Der mit 1,75 Meter Körpergröße und 32 Kilo „Lebendgewicht“ schlank und drahtig daherkommende Bursche kann dank makelloser Plastikhaut, wohl frisiertem Haarschopf und ausdrucksstarken Röntgenaugen als rundum gutaussehend passieren.

PhD in Digital Performance Design

Zum Studium geht es an die Shanghai Theater Academy (STA), eine hoch angesehenen Schauspielschule und Kaderschmiede für darstellende Künste und zwar im Bereich Digital Performance Art Design. Vorgesehen sind Kurse in Bühnendesign, Schauspiel, Regieführung, Schwerpunkten bei traditioneller chinesischer Oper, mit letztlich einem PhD-Abschluss. Für den bedarf es unter anderem die Erarbeitung und Vorführung eines kompletten Bühnenstücks.

Der Ausweis sitzt

Administrativ gesehen hat alles seine Ordnung. Xueba bekam einen Studentenausweis ausgehändigt. Wird er in einigen Jahren tatsächlich „Magna cum Laude“ abschließen und mit dem PhD-Titel auf Jobsuche gehen? Xuebas Mentoren am Institute of Machine Intelligence der Universitiy of Shanghai for Science and Technology (USST) geht es um etwas anderes. Zur Erkundung maschineller Lernfähigkeit bei direkter menschlicher Interaktion eignen sich Schauspielkünste ganz besonders.

Filmindustrie aufgepasst

Die Sache hat also Methode. Und es gibt eine Querverbindung zur Filmindustrie. Wang Xingxing, Gründer des Roboterbauers Unitree, ein heißer Anwärter auf baldigen Börsengang in Schanghai, ist vom Potenzial seiner Zweifüßler im Filmgeschäft, etwa bei komplexen Stunteinlagen, überzeugt. Der maschinelle Stuntman der Zukunft braucht zwar keinen PhD-Abschluss. Vielleicht aber kann Xueba 01 dazu beitragen, dass künftige STA-Absolventen die Regiearbeit mit Kollegen, die nicht aus Fleisch und Blut sind, als ganz natürlich ansehen.