Kinder und Kunstwerk
Notiert in Wiesbaden
Kinder und Kunstwerk
Von Thomas List
Von Thomas List
Eigentlich sollte es in diesen Zeilen um Gemeinsames und Trennendes von Wiesbaden, der Landeshauptstadt Hessens, und Frankfurt, der größten Stadt des Bundeslandes, gehen. Beide Städte liegen im Rhein-Main-Gebiet, gerade 40 Kilometer voneinander entfernt. Doch während Frankfurt als Bankenmetropole glänzt, ist der Glamour der Kurstadt von europäischem Ruf schon seit mehr als 100 Jahren vergangen. Beide Städte leiden heute immer noch unter Skandalen rund um die Arbeiterwohlfahrt (Awo), die den Frankfurter OB aus dem Amt fegte und erst vor wenigen Tagen einen Wiesbadener Dezernenten, also ein Mitglied der Stadtregierung, veranlasste, nicht mehr zur Wiederwahl anzutreten.
Immerhin hat die Wahl von sechs Dezernenten gezeigt, dass die Kooperation der vier Parteien im Stadtparlament hält. Denn die Politik der Landeshauptstadt wird seit der letzten Kommunalwahl von Grünen, SPD, Linken und Volt bestimmt, ohne dass es eine formale Koalitionsvereinbarung gibt. Dem Magistrat steht seit 2019 Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (SPD) vor.
Mende besuchte zu Wochenanfang einen der größten Arbeitgeber in Wiesbaden, die R+V Versicherung, um dort eine betriebliche Kindertagespflege zu eröffnen und eine Kunstinstallation einzuweihen. Der genossenschaftliche Versicherer mit seinen über 6.000 Mitarbeitern am Hauptsitz an der John-F.-
Kennedy-Straße und am Raiffeisen-Platz zeigte sich da wieder von seiner großzügigen Seite. Rund 250.000 Euro wurden aufgewendet, um die eigenen Räumlichkeiten für die Bedürfnisse von bis zu 15 Ein- bis Dreijährigen herzurichten – und damit die vermutlich erste von einem Unternehmen in Hessen getragene Kindertagespflege zu errichten. Angesichts dieser Kosten und des erheblichen administrativen Aufwands – die Planung dauerte etwa ein Jahr, der Genehmigungsprozess neun Monate – verwundert es allerdings nicht, dass die R+V eine Pionierrolle bei der Betreuung der Kleinsten einnimmt. In den hell und freundlich eingerichteten Räumen wurden am 2. Mai die ersten fünf Kinder aufgenommen – vorerst zur Eingewöhnung nur ein bis zwei Stunden täglich. Die bisher zwei, später dann drei Tagesmütter werden nicht von der R+V bezahlt, sondern schließen als Freiberufler direkt Verträge mit den Eltern ab, zu dem in Wiesbaden festgelegten Kostenbeitrag von 260 Euro bei einer Vollzeitbetreuung. Die R+V stellt „lediglich“ die Räume zur Verfügung. Auf Wunsch können die Kinder auch über die Betriebskantine versorgt werden.
Eng getakteter OB
OB Mende zeigte sich sehr interessiert an Werden und Konzept der Tagespflege und eröffnete dann mit R+V-Vorständin Julia Merkel die Einrichtung offiziell. Obwohl eng getaktet (8 Minuten von der Eröffnung bis zum nächsten Termin), ließ er es sich nicht nehmen, auch noch den über der Straße liegenden, frisch eingerichteten Spielplatz zu besichtigen. Weiter ging’s dann zum nächsten Event, der Enthüllung der Skulptur „Die Quadratur des Kreises – Squaring the Circle“ des Künstlerkollektivs Troika. In der Mitte des Platzes vor dem „alten“ Hauptgebäude des Versicherers am Raiffeisenplatz 1 ist es nach den Worten der Kuratorin der R+V-Kunstsammlung, Christa Häusler, der Höhepunkt der aktuellen Sammlungsaktivität, die mit der Etablierung eines neuen Sammlungskonzepts vor zehn Jahren begann. Für Mende zeigt die Skulptur, die je nach Standort die Form eines Kreises oder eines Quadrats annimmt, die Verbundenheit von Versicherer und Stadt.
Für den OB ist überall in der Stadt Kunst. Die Vielfalt zeige sich zum Beispiel im Landesmuseum, im Nassauischen Kunstverein und – hoffentlich noch 2023, wie Mende sagte – im Museum Ernst, das der Sammler Reinhard Ernst auf eigene Kosten gerade an der Wilhelmstraße errichten lässt. Dort werde (moderne) Kunst auf Weltniveau präsentiert, ist Mende überzeugt. Da könnte dann Wiesbaden im Vergleich zu Frankfurt die Nase vorn haben.