KommentarSiemens-Familie

Der Zauber der Synergie

Auch erfolgreiche Töchter stoßen im Konzern an Grenzen. Siemens trennt sich daher zu Recht von Healthineers, um das Portfolio zu optimieren.

Der Zauber der Synergie

Siemens-Familie

Der Zauber
der Synergie

Von Michael Flämig

Auch erfolgreiche Töchter stoßen im Konzern an Grenzen. Siemens trennt sich daher zu Recht von Healthineers, um das Portfolio zu optimieren.

In der Siemens-Familie gibt es einen neuen Modeausdruck: „synergetischer Kern“. Die Siemens AG bezeichnet damit das Geschäft rund um Fabrik- und Gebäudetechnik und irgendwie auch die Bahntechnik, rechnet aber seit der vergangenen Woche explizit Siemens Healthineers heraus. Die Medizintechnik-Tochter ihrerseits geht seit dem Kapitalmarkttag am Montag den gleichen Weg: Die dortige Sparte Diagnostics wird eigenständiger, die Aktivitäten rund um die Bildgebung und die Strahlentherapie werden als Kern definiert.

Letztlich geht es dabei um Portfoliopolitik. Siemens hat eine lange Geschichte des Umbaus hinter sich, und beide Konzerne gehen diesen Weg in den nächsten Jahren weiter. Das Ziel ist es, sich auf wachstumsstärkere Segmente zu konzentrieren und über eine konsequente Spezialisierung relevante Wettbewerbsvorteile zu erobern. Die Siemens AG wird schon in absehbarer Zeit vorankommen, weil Healthineers längst eigenständig agiert. Im Fall von Diagnostics ist der Weg noch weit, bis die heutige Sparte ihr Schicksal komplett in die eigene Hand nehmen kann.

Die Entscheidungen zeigen: Der Vorstand in beiden Siemens-Unternehmen geht Probleme offensiv an. Dies ist gut und nicht jedem Management in der deutschen Industrie zu eigen. Aber die Trennungen haben auch einen defensiven Charakter. Denn sie sind das Eingeständnis, in den bisherigen Aufstellungen nicht so schnell und profitabel voranzukommen, wie der Kapitalmarkt es erwartet. Die Zahlen von Siemens Healthineers illustrieren dies anschaulich. Als der Vorstand die Mittelfristziele für die Periode 2023 bis 2025 vor vier Jahren festzurrte, konnte er noch ein Umsatzwachstum von 6 bis 8% anpeilen. Die aktuelle mittelfristige Planung sieht dagegen für den Konzern nur noch ein Plus von 5 bis 7% vor.

Dahinter steckt keineswegs Unvermögen. Im Gegenteil: Wer in einem Geschäftsfeld großen Erfolg hat, der stößt mit seinem Wachstum dann auch mal an die Decke. Beispielsweise ist Healthineers Marktführer im Geschäft mit Computertomographen & Co. und hat trotzdem den Marktanteil seit dem Börsengang 2018 um sieben Prozentpunkte erhöht. Ein sagenhafter Erfolg.

Irgendwann ist aber Schluss, dann lässt sich nur noch mit dem Markt wachsen. Anders sieht es aus, wenn Healthineers nun Diagnostics herausrechnet: Dann sind wieder 6 bis 9% Umsatzwachstum drin. Synergetischen Kerngeschäften wohnt ein Zauber eigener Art inne.