KommentarMarktinfrastruktur

Endlich im Maschinenraum

Die EU hat ein XXL-Gesetzespaket vorgestellt, um den Kapitalmarkt zu vertiefen. Die Grundgedanken sind überzeugend. Und endlich diskutiert Europa das Thema nicht mehr nur in Sonntagsreden.

Endlich im Maschinenraum

Marktinfrastruktur

Endlich im Maschinenraum

Von Detlef Fechtner

Gestern hatten die Hausjuristen in Banken, Clearinghäusern und in Vermögensberatungen reichlich zu tun. Denn die EU-Kommission hat ein Gesetzgebungspaket in XXL-Format vorgestellt. Es greift in 17 EU-Regelwerke ein und nimmt Dutzende, zum Teil granulare Anpassungen vor. Da ist es gar nicht so einfach, den Überblick zu behalten. Trotzdem lässt sich schon nach erster Draufsicht sagen, dass der Gesetzesvorschlag die Bemühungen um eine Vertiefung des Kapitalmarkts in Europa einen wichtigen Schritt voranbringt. Denn endlich wird die Diskussion im Maschinenraum geführt und nicht mehr auf der großen Bühne – „from rhetorics to specifics“.

Mehr Beinfreiheit für Finanzunternehmen

Dabei sind die Grundgedanken der EU-Kommission überzeugend. Erstens: Regelungen in Frage zu stellen, die anlagesuchendem Kapital oder nach Finanzierung ausschauenden Unternehmen das Leben erschweren. Zweitens die Beteiligten in Handel und Nachhandel in Europa enger miteinander zu vernetzen, um allen Anlegern Zugang zu Infrastrukturen zu eröffnen, selbst wenn sie irgendwo anders in der EU beheimatet sind. Drittens mehr Beinfreiheit zu erlauben, sei es innovativen Anbietern, die Blockchain-Lösungen ausprobieren oder Asset Managern, die nicht mehr jede Funktion in jeder Landesgesellschaft vorhalten wollen. Und viertens nationale Sonderlocken abzuschaffen, indem EU-Richtlinien in EU-Verordnungen umgewidmet werden. Bei all diesen Vorschlägen liegt die Beweislast, warum sie gegebenenfalls nicht taugen, nun bei den Mitgliedstaaten, dem Parlament oder der Finanzindustrie.

Kritik für Zentralisierung der Aufsicht

Kritik hat das Gesetzespaket bisher vor allem wegen der Zentralisierung der Aufsicht über Börsen, Clearinghäuser, Verwahrer und Kryptodienstleister auf sich gezogen. Gewiss sind Zweifel angezeigt, ob sich einheitliche Aufsicht automatisch in Marktintegration und Konsolidierung übersetzt. Und richtig ist, dass einheitliche Aufsicht nicht ganz oben auf der Wunschliste von Investoren steht. Aber deswegen ist es noch lange nicht falsch, wenn künftig die ESMA ein waches Auge auf die großen, kritischen Infrastrukturen wirft

Kurzum: Endlich arbeitet die EU aktiv daran, den Kapitalmarkt zu vertiefen, statt nur in Sonntagsreden davon zu schwärmen. Bekanntermaßen gibt es nicht die eine Silberkugel, mit der die EU die Fragmentierung der Kapitalmärkte überwindet. Umso mehr lohnt sich die Auseinandersetzung mit den Vorschlägen für einfachere Zugänge, engere Vernetzung und einheitlichere Vorgaben, die nun auf dem Tisch liegen.

Die EU arbeitet nun aktiv daran, den Kapitalmarkt zu vertiefen, statt nur in Sonntagsreden davon zu schwärmen