Konsolidierung unter US-Banken birgt unterschätzte Risiken
Konsolidierung unter US-Banken birgt unterschätzte Risiken
US-Banken
Die Tücken der Konsolidierung
Von Alex Wehnert
Fusionen in Amerikas Regionalbankensektor bergen unterschätzte Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems.
Die Konsolidierung in Amerikas Bankenbranche könnte noch schwere Probleme im Finanzsystem heraufzubeschwören. Durch Zusammenschlüsse wollen sich zu einseitig fokussierte Regionalinstitute zwar breiter aufstellen und gegenüber Branchenriesen wie um J.P. Morgan wettbewerbsfähiger werden. Doch zugleich steigen damit die Konzentrationsrisiken im Sektor ausgerechnet in einer Zeit, in der sich Bausteine in den Kreditportfolios lockern. Bedauerlicherweise ist es der auf Deregulierung drängenden US-Regierung kaum zuzutrauen, die damit einhergehenden Gefahren zu erkennen und die betroffenen Institute enger zu überwachen.
Neue Größen entstehen
Bereits im Frühjahr stellten die Federal Reserve und die für die Überwachung des nationalen Kreditwesens zuständige Behörde OCC die Weichen für neue Bankfusionen, indem sie grünes Licht für den 35,5 Mrd. Dollar schweren Merger zwischen Capital One und Discover Financial gaben. Der unabhängige Forschungsdienst des US-Kongresses rief Regulatoren nach der Deal-Ankündigung auf, die systemischen Risiken genauer zu prüfen. Denn der Merger werde Capital One ein schnelles Wachstum bescheren, zugleich sei es aber unwahrscheinlich, dass das fusionierte Institut höchste Ansprüche an Eigenmittel und Risikovorsorge erfüllen müsse.
Ähnlich sieht es wohl beim aktuellen Beispiel Comerica aus: Der Finanzdienstleister aus Dallas steht nach Jahren der schweren Underperformance ihrer Aktie im Sektorvergleich unter Druck durch aktivistische Investoren – und gibt dem nun nach. Die Holding hat sich mit Fifth Third Bancorp aus Cincinnati einen größeren Partner gesucht, die Institute schließen sich durch einen 10,9 Mrd. Dollar schweren Aktientausch zusammen. Dadurch entsteht ein Geldhaus, das mit Assets im Volumen von rund 288 Mrd. Dollar knapp außerhalb der Top Ten der größten US-Banken liegt und prominente Namen wie American Express hinter sich lässt.
Zusammenbrüche trotz Fusionen
Spätestens seit der Regionalbankenkrise 2023 ruhen die Hoffnungen vieler Marktteilnehmer darauf, dass mittelgroße und kleine US-Institute einander durch Merger stabilisieren. Die Entwicklung der vergangenen Dekaden zeigt allerdings, dass diese Überlegung nur bedingt aufgeht. In den 1980er Jahren gab es in den USA fast 15.000 verschiedene Geschäftsbanken, Anfang des laufenden Jahrtausends waren es noch über 8.000, zuletzt ist die Zahl auf etwas mehr als 4.000 geschrumpft. Zum Kollaps von Washington Mutual 2008, den Zusammenbrüchen der Silicon Valley Bank, Signature Bank und First Republic Bank 2023 sowie Turbulenzen um New York Community Bancorp (NYCB) im Frühjahr 2024 kam es trotzdem.
Letzteres Beispiel zeigt die Risiken der Konsolidierung. Bereits Jahr 2022 übernahm das Geldhaus aus Long Island die Konkurrentin Flagstar Bank, im Frühjahr 2023 sicherte es sich einen großen Teil der Assets der Signature Bank, wodurch seine Bilanzsumme auf über 100 Mrd. Dollar stieg. Damit galten für NYCB plötzlich härtere Kapitalvorgaben. Nach Kreditabschreibungen musste sie unerwartet hohe Rückstellungen bilden, um ihre Risikovorsorge mit regulatorischen Anforderungen in Einklang zu bringen. Der daraus resultierende Verlust erwischte die Aktionäre kalt.
Ungehemmte Kreditvergabe
Chancen, sich durch Zusammenschlüsse gegen den Expansionsdrang von Finanzriesen wie Wells Fargo zu rüsten, sind für kleinere Institute fraglos nicht einfach beiseite zu fegen. Allerdings droht der Druck zur Konsolidierung so groß zu werden, dass vielen Häusern fast egal ist, welchen Partner sie sich ins Boot holen. Comerica erhält mit Fifth Third eine Eignerin, die zu den Hauptverlierern der viel beachteten Pleite des Autokreditdienstleisters Tricolor gehört. Das lässt darauf schließen, dass die Darlehensprüfung bei dem Institut aus Ohio nicht lückenlos läuft. Die Insolvenz des Autozulieferers First Brands wirft ebenfalls ein Schlaglicht auf die ungehemmte Kreditvergabe im US-Finanzsystem. Durch die fortschreitende Konsolidierung setzen sich auch kleinere Banken den verbundenen Ausfallrisiken stärker direkt aus. Das birgt unterschätzte Gefahren für ihre Einlagenkunden und damit für die Gesamtwirtschaft.