KOMMENTAR

Linke Tasche, rechte Tasche

ge - Wahrscheinlich sind Großprojekte in diesem dicht besiedelten Land nicht mehr zu realisieren. Überall gibt es Leidtragende, die sich vehementer gegen Lärm, Schmutz und andere Einschränkungen wehren denn je. Wahrscheinlich ist aber auch das...

Linke Tasche, rechte Tasche

ge – Wahrscheinlich sind Großprojekte in diesem dicht besiedelten Land nicht mehr zu realisieren. Überall gibt es Leidtragende, die sich vehementer gegen Lärm, Schmutz und andere Einschränkungen wehren denn je. Wahrscheinlich ist aber auch das übliche Prozedere bei öffentlichen Bauten nicht mehr zeitgemäß. Um ein Vorhaben – egal ob Bahnhof, Flughafen oder Elbphilharmonie – über die parlamentarischen Hürden zu bekommen, werden Tiefstpreise prognostiziert, die später mit 100-prozentiger Sicherheit nicht mehr gehalten werden können. Der mündige Bürger fühlt sich verschaukelt, während die Parlamente dies als übliche Bagatelle zu akzeptieren scheinen. Wahrscheinlich sind aber auch die Planer von den zunehmend komplexen Vorhaben überfordert. Da werden Leitungen übersehen, Kosten ignoriert oder Schnittstellen zwischen Gewerken ausgeblendet – und das gut 20 Jahre nach den ersten Überlegungen für den Tiefbahnhof “Stuttgart 21”. Dies zu reparieren kostet dann mal gut 1 Mrd. Euro – mindestens, muss nach den bisherigen Erfahrungen mit “S 21” angefügt werden. Um das Projekt dennoch nicht stranden zu lassen, übernimmt nun die Bahn die Mehrkosten. Was bleibt ihr auch anderes übrig, nachdem Bund, Land und Stadt eine Mithaftung strikt verweigern. Doch der Bund haftet sowieso: Denn wenn die Bahn 1,1 Mrd. Euro aus Eigenmitteln stemmt, hat sie weniger Gelder frei, die sie als Dividende an ihre Eigentümer ausschütten kann. Linke Tasche, rechte Tasche, lautet mal wieder das Motto. Der Bund muss zwar nicht zahlen, aber verzichten.