LeitartikelDeutsche Autobauer

Luxus-Nische wird für Autobauer zur Sackgasse

Der Branchenverband VDA hat die Prognose für den deutschen Markt leicht angehoben. Doch die deutschen Autobauer zielen nicht auf Volumen. Sie zieht es in die Luxus-Nische – primär in China. Eine gefährliche Strategie.

Luxus-Nische wird für Autobauer zur Sackgasse

Deutsche Autobauer

Luxus-Nische wird zur Sackgasse

Von Sebastian Schmid

Der VDA hat die Prognose für den deutschen Markt angehoben. Doch die Autobauer zieht es in die Luxusnische – primär in China.

Der Branchenverband VDA hat den Ausblick für das laufende Jahr sowohl für den deutschen als auch für den europäischen Markt angehoben. Gerechnet wird nun mit 4 (bisher 2) % bzw. 7 (5) % Wachstum. Das ist allerdings nicht nur deshalb kein Grund zum Jubeln, weil VDA-Präsidentin Hildegard Müller zu Recht anmerkt, „dass die Märkte nach wie vor deutlich unter dem Vorkrisenniveau liegen“. Tatsächlich liegt der europäische Markt sogar weit darunter. Gerechnet wird in Europa (EU + Efta + UK) nun mit 12 Millionen Neuzulassungen. Das sind immerhin 3,8 Millionen weniger als 2019. Auch der US-Markt war zuletzt um mehrere Millionen Fahrzeuge kleiner als vor der Coronakrise. Die Ausnahme unter den großen Märkten? China. Im Reich der Mitte wurden bereits im vergangenen Jahr mit 23,5 Millionen Fahrzeugen rund 2 Millionen mehr neu zugelassen als 2019.

Kein Wunder also, dass Mercedes-Benz-CEO Ola Källenius eine Lösung aller Verbindungen zu China aus Sicht der deutschen Industrie gegenüber der „Financial Times“ vor wenigen Tagen für „undenkbar“ erklärt hat. Mercedes hat im vergangenen Jahr 2,04 Millionen Pkw abgesetzt, davon fast eine Million in Asien und davon wiederum gut eine Dreiviertelmillion in China. Damit wurden von der Marke mit dem Stern im Reich der Mitte gut 115.000 Pkw mehr verkauft als in ganz Europa. Vor allem die Strategie der Schwaben, die auf eine Positionierung deutlich stärker im Luxussegment aus ist, steht und fällt mit dem Zugang zum chinesischen Markt. Die Superluxusmarke Maybach hat den Absatz im vergangenen Jahr um mehr als ein Drittel auf den Rekordwert von 21.600 Fahrzeugen gesteigert. Mehr als 60% davon wurden in China ausgeliefert.

Auch die anderen deutschen Hersteller sind in hohem Maße vom chinesischen Markt abhängig. Nachdem sie dort über Jahre eine dominante Position aufbauen konnten, haben sie nun allerdings auch viel zu verlieren. Zuletzt hat der auf Elektroautos spezialisierte heimische Anbieter BYD Volkswagen die Marktführerschaft abgerungen. Die Wolfsburger haben mit ihren batterieelektrischen Angeboten dort bislang nur mäßigen Erfolg. Eine Rückkehr an die Spitze des Marktes scheint für VW wohl ausgeschlossen. BYD hat zuletzt ein günstiges Einstiegs-E-Auto für umgerechnet gut 10.000 Euro vorgestellt, das noch in diesem Jahr auf den Markt kommen soll. Kein ausländischer Autobauer kann da preislich auch nur im Ansatz mithalten. Entsprechend drängt auch Volkswagen in Fernost bei E-Autos ins Premiumsegment.

Eine bestehende Volumenmarke höher zu positionieren, gelingt allerdings nur selten und braucht Zeit. Deshalb plant VW mit einer neuen Submarke im Reich der Mitte, die im gehobenen E-Auto-Markt angesiedelt sein soll. Dabei will man sich bei der erfolgreichen Seat-Submarke Cupra bedienen. Deren nächstes Elektromodell Cupra Tascavan wird ab Dezember im Werk in Anhui gebaut und soll unter der neuen VW-Submarke dann auch im chinesischen Markt angeboten werden. Die Angst vor einem Fiasko in Fernost treibt die deutschen Autobauer allesamt ins Premiumsegment. Dafür, dass es im chinesischen Luxusmarkt enger wird, sorgen sie damit höchstselbst. Denn neben VW und Mercedes buhlen dort auch Audi, BMW und Porsche um Kundschaft.

Derweil bringen sich die chinesischen Marken in Europa in Stellung. Bislang sind BYD, Geely, MG, Nio, Ora und Wey zwar kaum im Straßenbild auszumachen. Doch eine Umfrage der „Automobilwoche“ zeigt, dass die Akzeptanz bei den Konsumenten rasant steigt. Zwar ziehen den Kauf einer chinesischen Marke nur 27% der Befragten in Betracht. Bei einer Umfrage ein halbes Jahr zuvor lag der Anteil aber noch bei 12%. Der Anteil der Personen, die den Kauf eines chinesischen Autos kategorisch ausschließen, sank derweil um 20 Prozentpunkte auf 43%.

Mit ihrer Premiumstrategie riskieren die deutschen Autobauer also nicht nur, dass sie sich in China dauerhaft auf eine Nische des Marktes limitieren. Auch in Europa müssen sie aufpassen, dass sie mit ihren hochpreisigen Elektroautos den Volumenmarkt nicht der Konkurrenz aus Fernost überlassen. Die Luxusnische könnte sich sonst schnell als Sackgasse erweisen.

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