Im BlickfeldNeue Meldepflicht kommt per Gesetz

Mehr Durchblick für die Steuerbehörden bei Krypto-Transaktionen

Kryptowerte unterliegen der Steuer – das beachten nur Wenige. Eine neues Gesetzt soll für den Fiskus mehr Aufkommen sichern.

Mehr Durchblick für die Steuerbehörden bei Krypto-Transaktionen

Mehr Durchblick für Steuerbehörden bei Kryptowerten

Deutschland führt eine Meldepflicht von Transaktionsdaten an die Finanzämter ein.

Von Angela Wefers, Berlin

In Nordrhein-Westfalen nehmen Steuerfahnder derzeit ein großes Datenpaket aus dem Kryptohandel auseinander. Sie haben berechtigte Hoffnung, beträchtliche Steuerschulden aus Gewinnen mit Kryptowerten einfordern zu können. Fast 4.000 Steuerfälle umfasst das Pakt nach Angaben der Finanzverwaltung in NRW. „Die nordrhein-westfälische Steuerfahndung geht voran beim Kampf gegen Steuerhinterziehung bei Gewinnen in Kryptowährungen“, frohlockte das Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität in NRW Ende September.

Hoffnung der Fahnder

Das Datenpaket hatte die Behörde von einer Handelsplattform auf ein Sammelauskunftsersuchen hin erhalten. Die Daten betreffen das gesamte Bundesgebiet. Die Steuerfahnder bereiten sie derzeit auf, um sie dann bundesweit an die zuständigen Stellen zu verteilen. Ein erstes Datenpaket aus dem Jahr 2023 war durchaus ergiebig: Nach Angaben der Steuerverwaltung hat es bislang Einnahmen in „hoher einstelliger Millionenhöhe eingespielt“. Die Behörde rechnet jedoch noch mit einer deutlich höheren Summe, wenn die weiterhin laufenden Ermittlungen abgeschlossen sind.

Für Kryptowerte-Halter, die ihrer Steuerplicht nicht nachkommen, wird es künftig noch ungemütlicher. Solche Zufallsfunde für die Steuerfahnder sollen in absehbarer Zeit der Vergangenheit angehören. Der Bundestag berät derzeit ein Gesetz zu einer vollständig automatisierten Meldepflicht von Transaktionen mit Kryptowerten an das Bundeszentralamt für Steuern. Damit wird die EU-Amtshilferichtlinie DAC 8 (Directive on Administrative Cooperation) in nationales Recht umgesetzt. Deutschland ist wie alle übrigen EU-Mitgliedstaaten dazu bis Ende 2025 verpflichtet. Entstehen wird hierzulande ein komplett neues Regelwerk: das Kryptowerte-Steuertransparenz-Gesetz (KStTG). Erste Meldung sind von 2027 an fällig. Betroffen sind alle neuartigen Finanzprodukte wie E-Geld, E-Token oder der digitale Euro.

Weitreichende Steuerpflicht

Veräußerungsgewinne aus Kryptowerten im Privatvermögen wie Bitcoin und Ether unterliegen dem persönlichen Steuersatz in der Einkommensteuer und sind in der Steuererklärung anzugeben. Dies betrifft die verschiedenen Formen wie Mining, Forging, Staking oder Lending von Kryptowerten im Privatvermögen. Anders als in den meisten Ländern gilt hierzulande die Steuerpflicht nur innerhalb einer Spekulationsfrist von einem Jahr und oberhalb des Freibetrags von 1.000 Euro. Wer die Werte länger hält, für den sind sie steuerfrei. Verluste können genutzt und gegengerechnet werden.

Deutschland steht mit dieser Regelung im internationalen Vergleich fast allein. Die weitreichende Steuerbefreiung soll helfen, hier einen Markt für Investoren zu etablieren. Nach der Krypto-Steuer-Studie 2025 des Steuersoftwareanbieters Blockpit hat dieser Ansatz das Verhalten der Kryptowertenutzer durchaus beeinflusst und hat dazu geführt, dass Anleger zunehmend langfristige Haltestrategien verfolgen.

Gleichwohl rechnen Experten damit, dass dem Fiskus viel Steuersubstrat entgeht. Dies wurde in einer öffentlichen Anhörung des Bundestags-Finanzausschusses zum Gesetzentwurf deutlich. Die wenigsten Kryptowerte-Halter erklären sich gegenüber dem Finanzamt. Zudem wächst der Markt explosionsartig. Dies verspricht ein wachsendes Steueraufkommen in der Zukunft aus diesem Segment.

Markt wächst explosionsartig

Die Bundesregierung hielt sich auf eine parlamentarische Anfrage der Linken hin zuletzt zwar bedeckt zur Marktgröße und nannte keine Zahlen. Pierre Georg, Professor of Practice in Digital Finance and Technology an der Frankfurt School of Finance und Direktor des dortigen Blockchain Centers zeigte sich darüber jedoch mit Blick auf die jährliche Blockpit-Studie erstaunt. Demnach wurden 2024 von rund 7 Mill. Nutzern in Deutschland Kryptogewinne von 47,3 Mrd. Euro realisiert. Steuerpflichtig waren davon laut Blockpit 17,3 Mrd. Euro. Bis zur Anhörung am 13. Oktober sind Georg zufolge in diesem Jahr schon Gewinne von rund 575 Mrd. Euro aufgelaufen.

Weniger als 3% der Kryptonutzer komme nach Einschätzung des Kryptosteuersoftware-Anbieters Dively und von Blockpit ihrer Steuerpflicht nach. Dabei gibt es durchaus taugliche Software, um gegenüber den Finanzämtern die verpflichtenden Angaben zu machen, wurde in der Anhörung deutlich. Wer die Steuerfreiheit nach einem Jahr nutzen will, muss seine Transaktionen genaue dokumentieren und sie dem Finanzamt nachweisen. Dezentrale Plattformen und Wallets gewinnen hierzulande mehr und mehr an Bedeutung, auch wenn die zentralisierten Börsen noch immer das Marktgeschehen dominieren. Dies macht es für die Steuerpflichtigen schwerer, den Überblick zu behalten. Laut Blockpit-Studie nutzen Investoren am deutschen Markt mittlerweile durchschnittlich 5,7 verschiedene Plattformen und Wallets. Die Zahl habe sich in drei Jahren verdoppelt.

Hohe Steuerausfälle geschätzt

Dies Schätzungen über das entgangene Steueraufkommen fällt sehr unterschiedlich aus. Blockpit geht für 2024 von einem mittleren einstelligen Milliardenbetrag aus. Nach einer Berechnung mit verschiedenen Annahmen zu den Steuerpflichtigen ergibt sich laut Blockpit daraus eine Steuerschuld zwischen 4,2 und 7,3 Mrd. Euro für 2024. Die Zahlen steigen aber deutlich: Georg schätzt für 2025 einen zweistelligen Milliardenbetrag. Für die Deutsche Steuergewerkschaft blieb Florian Köbler in der Anhörung etwas zurückhaltender. Er geht von einem dreistelligen Millionenbetrag aus.

Gemeldet werden muss künftig an das Bundeszentralamt, aber keine Gewinne, sondern Basisdaten. Dies sind Nutzeridentifikationsdaten, Transaktionswerte und -typen – wie Käufe, Verkäufe, Einzahlungen, Abhebungen oder Airdrops –, Wallet-Adressen und grenzüberschreitende Transaktionen. Meldeverpflichtet sind die Anbieter von Krypto-Dienstleistungen. Die Meldung muss automatisiert erfolgen. Anders ließen sich die Datenmengen von der Finanzverwaltung auch nicht bewältigen. Deutlich wurde in der Anhörung auch, dass damit nur Transaktionen erfasst werden, die über Krypto-Dienstleister laufen, aber keine dezentralen Transaktionen. Allein für letzteres fehlt bislang noch eine Lösung.

Die wenn auch lückenhafte Meldepflicht ist aus Sicht der Finanzverwaltung immerhin ein „Hilfsmittel“ zur Einschätzung einer Steuerpflicht in Deutschland. So bezeichnete es Michael Schmidt vom Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität Nordrhein-Westfalen. Zumindest sei damit klar, welche Geschäfte über Börsen abgewickelt worden seien. Die Finanzbeamten benötigten mehr Daten zur Durchsetzung des Besteuerungsrechts.

Eindeutige Formate gewünscht

Matthias Steger vom Institut für Digitalisierung im Steuerrecht erwartet Probleme im Austausch der Daten, wenn die Transaktionen nicht in eindeutige Formate gebracht werden. Es werde Listen mit 100.000 Transaktionen zu erklären sein, sagte er voraus. Das Institut, das von der Wirtschaft, aber auch von Wissenschaft und Verwaltung getragen wird, steht technologischen Lösungen zu mehr Standardisierung im Besteuerungsverfahren grundsätzlich positiv gegenüber. Der Regierungsentwurf wird als „neuer Meilenstein“ im Besteuerungsverfahren, der Sicherstellung von Steueraufkommen und der Überwachung zur Einhaltung von Sanktionen gesehen.

Das Institut plädiert wird aber für eine größengerechte Regulierung: Für Adressaten mit geringen Handelsvolumina sollten die Meldepflichten erleichtert werden. Zudem wird eine großzügige Übergangsfrist empfohlen, um die Schnittstellen zwischen Wirtschaft und Verwaltung sowie das Verfahren zu erproben. Damit sollen Fehler der Vergangenheit vermieden werden. Schlechte Erfahrung gibt es etwa mit der Kapitalertragsteuer.

Weckruf an den Staat

Welches neue und weitreichende Feld sich für die Besteuerung und die Finanzverwaltung auftut, machte Sebastian Becker vom Blockchain Verband deutlich. Die in der Anhörung umstrittene Frage der Höhe der Bürokratiekosten für die Einführung der neuen Systeme sei „ein Witz“ und stellt sich demnach nicht. Digitale Währungen, private Stablecoins, Zahlungsmechanismen für die Industrie 4.0 oder CO2-Zertifikate – es werde jede Menge digitale Assets geben, zählte er auf. „Der Staat muss sich dringend vorbereiten“, sagte Becker. „Wir brauchen das für die europäische Eigenpositionierung.“