Brüssel

Mehr Transparenz in den Drehtüren der EU

Die Europäische Bürgerbeauftragte hat eine umfassende Untersuchung eingeleitet, wie die EU-Kommission mit dem Wechsel ihres Spitzenpersonals in die private Wirtschaft umgeht. Die Ombudsfrau sieht noch längst nicht überall in der Brüsseler Behörde das richtige Verständnis für dieses sensible Thema.

Mehr Transparenz in den Drehtüren der EU

Der (schnelle) Wechsel von hochrangigen EU-Beamten oder gar EU-Kom­missaren in die Wirtschaft hat von jeher die Gemüter erhitzt. Im vergangenen Jahr hatte insbesondere der direkte Wechsel von Adam Farkas von der Bankenaufsicht EBA zur Kapitalmarktlobby AFME für Schlagzeilen gesorgt. Ältere Semester erinnern sich aber sicherlich auch noch an die Ex-Kommissare Martin Bangemann (Telefónica) und Charlie McCreevy (Ryanair) oder an den früheren Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso (Goldman Sachs). Auch die Ämterhäufung von Günther Oettinger nach seinem Ausscheiden aus der Kommission 2019 sorgt selbst heute noch immer für Gesprächsstoff (in den vergangenen Wochen unter anderem in den TV-Comedy- und Kabarettsendungen „Chez Krömer“ und „Die Anstalt“).

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Die Europäische Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly hat sich jetzt vorgenommen, ein wenig mehr Licht in diese Seitenwechsel zu bringen. Die Irin hat eine weitreichende Untersuchung darüber eingeleitet, wie die Kommission mit Wechseln von EU-Bediensteten in den privaten Sektor umgeht. Die Untersuchung ist Teil einer verschärften Überprüfung, wie die EU-Ver­wal­tung die Ethikverpflichtungen einhält, wenn sich ihre Bediensteten für die „Drehtür“ entscheiden. Konkret heißt das: O’Reilly will in der nächsten Zeit 100 Per­so­nal­ak­ten näher ansehen, in denen die „Revolving Door“ eine Rolle spielt. Es geht um Entscheidungen der EU-Kommission über Anträge von Führungskräften der oberen und mittleren Ebene, in denen diese sich entweder eine neue Beschäftigung oder einen unbezahlten Urlaub zur Ausübung einer anderen Tätigkeit genehmigen lassen wollen. Dies teilte die Ombudsfrau in dieser Woche Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in einem Brief mit. Die Akten betreffen demnach insgesamt 14 Generaldirektionen sowie sämtliche Kabinette der Kommissare, den Juristischen Dienst der Kommission, das Generalsekretariat, den internen Thinktank und den Ausschuss für Regulierungskontrolle. „Die umfangreiche Einsicht zielt darauf ab, ein umfassendes Bild davon zu erhalten, wie solche Entscheidungen in einer Reihe von Kommissionsdienststellen ge­troffen werden“, begründete O’Reilly ihr Vorgehen.

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Es ist nicht das erste Mal, dass die Bürgerbeauftragte – eine frühere Journalistin – sich dem Drehtürthema annimmt. „Die potenziell zersetzende Wirkung unkontrollierter Seitenwechsel wird meines Erachtens unterschätzt“, stellte sie in dieser Woche klar. Auch im Fall von Adam Farkas hatte O’Reilly ja schon mit harscher Kritik für Aufsehen und für Reaktionen gesorgt. Die EU-Kommission hatte daraufhin eine zweijährige Karenzzeit für Treffen mit Farkas ausgerufen. Und die europäische Bankenaufsichtsbehörde hatte im vergangenen Herbst ebenfalls Konsequenzen gezogen. Die EBA will ihren leitenden Angestellten künftig die Besetzung bestimmter Positionen untersagen, wenn sie die Behörde wieder verlassen. Darüber hinaus hat sie Verfahren eingeführt, um den Zugang zu vertraulichen Informationen sofort zu unterbinden, wenn Angestellte wechseln wollen. O’Reilly hat andere EU-Institutionen und -Agenturen schon aufgefordert, sich an den neuen EBA-Regeln ein Beispiel zu nehmen.

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Die 63-Jährige, die seit 2013 das Amt der Bürgerbeauftragten ausübt, hat das Thema so hoch auf die Agenda gesetzt, weil es hier ganz grundsätzlich um das Vertrauen in die EU-Institutionen geht. „Jede Einschätzung, dass die Regeln nicht ordnungsgemäß durchgesetzt werden, birgt die Gefahr, dass Fragen darüber aufgeworfen werden, ob die EU-Verwaltung gänzlich im öffentlichen Interesse handelt“, sagt die Ombudsfrau. In der EU-Ver­waltung müsse ein größeres Bewusstsein dafür herrschen, welchen Eindruck es mache, wenn Menschen mit Fachwissen im Regulierungsbereich in den privaten Sektor wechselten, wo ihr Wissen und ihre Netzwerke erheblichen kommerziellen und anderen Nutzen haben könnten: „Dieses Verständnis ist noch nicht vorhanden.“