LeitartikelFusionen und Übernahmen

Merger-Flut in USA zieht Probleme nach sich

Der Deal-Aufschwung an der Wall Street zieht unterschätzte Risiken nach sich. Die US-Kartellregulierung muss daher dringend filigraner werden.

Merger-Flut in USA zieht Probleme nach sich

Fusionen

Die Schattenseite der M&A-Flut

Von Alex Wehnert

Der Deal-Aufschwung an der Wall Street zieht unterschätzte Risiken nach sich. Die US-Kartellregulierung muss daher dringend filigraner werden.

Der ungebremste Deal-Aufschwung in den Vereinigten Staaten mag die Boote an der Wall Street heben, für Verbraucher und die Finanzstabilität zieht er aber unterschätzte Risiken nach sich. Amerikas Kartellregulatoren müssen sich deshalb ihrer Verantwortung bewusst werden und endlich zu einem Mittelweg zwischen der starren Auslegung des Wettbewerbsrechts aus der alten Legislaturperiode und dem Laissez-faire-Stil finden, der unter Präsident Donald Trump den Markt prägt.

Gemäß EY kam es in den USA im September zu mehr als 150 Deals mit einem Volumen von über 100 Mill. Dollar; der monatliche Gegenwert lag zuletzt bei über 250 Mrd. Dollar. Damit bahnt sich ein Rekordjahr an. Doch Transaktionen wie der geplante 85 Mrd. Dollar schwere Merger zwischen den Bahngesellschaften Union Pacific und Norfolk Southern, den Befürworter als Türöffner für mehr Effizienz preisen, kreieren schwierig zu kontrollierende Marktmächte.

Monopol entsteht

Durch den Zusammenschluss würden die beiden Unternehmen fast die Hälfte des US-Schienengüterverkehrs kontrollieren und damit ein De-facto-Monopol von Küste zu Küste schaffen. Für Frachtkunden, denen ohnehin schon ein begrenztes Angebot zur Verfügung steht, würde dies noch weniger Optionen und damit eine weitere Einschränkung ihrer Verhandlungsmacht bedeuten. Die Gesellschaften werben indes mit vermeintlichen Milliarden-Synergien durch ihren Merger, die es ihnen ermöglichen könnten, Frachtgebühren niedrig zu halten. Die Erfahrung zeigt, dass sich solche Effizienzgewinne selten verwirklichen, sondern eher das Gegenteil der Fall ist: Mit zunehmender Größe und Komplexität eines Güterbahnanbieters nimmt in der Regel die Verlässlichkeit seiner Dienstleistungen ab.

Sollten die Regulatoren den Deal durchwinken, würde das nicht nur Schranken für weitere Zusammenschlüsse im bereits deutlich konsolidierten Sektor abbauen, sondern auch noch einmal ein starkes Signal an die gesamte US-Wirtschaft senden. Grundsätzlich kommen Einwände gegen Merger von der Trump-Administration bisher nur dann, wenn sich daraus auf stumpfste Weise politisches Kapital schlagen lässt – so wie bei der Übernahme von US Steel durch Nippon Steel geschehen. Washington sicherte sich im Rahmen der 14,9 Mrd. Dollar schweren Akquisition im Sommer eine goldene Aktie, die den USA ein Veto-Recht bei strategischen Entscheidungen einräumt.

Politischer Opportunismus

Ohne Trumps Sieg bei den Präsidentschaftswahlen 2024 wäre der Deal aber wohl gar nicht zustande gekommen, betonen Analysten – schließlich hatte Amtsvorgänger Joe Biden ihn mit Verweis auf die nationale Sicherheit blockiert. Bis sich die US-Regierung politisch inopportunen, für die Gesundheit des Unternehmens aber notwendigen Maßnahmen wie Fabrikschließungen oder den Abbau von Arbeitsplätzen in den Weg stellte, dauerte es nach Abschluss des Mergers nicht lange.

Unter welchen politischen Bedingungen solche Groß-Deals zustande kommen, ist der Wall Street zunächst egal – Hauptsache, die Underwriting- und Beratungsgebühren sprudeln nach schwierigen Jahren wieder. Dabei treibt der Finanzsektor selbst die Aktivität: Die Konsolidierung unter US-Banken nimmt Fahrt auf, laut S&P Global vergehen 2025 durchschnittlich nur noch vier Monate bis Abschluss eines Mergers. Das bedeutet die kürzeste Dauer seit mindestens 1990. Die Zusammenschlüsse sollen die Bilanzen mittelgroßer Geldhäuser und ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken. Doch ein zu schnelles Wachstum erschwert es Banken, ihre Risikovorsorge in Einklang mit regulatorischen Vorgaben zu bringen. Die wachsende Komplexität birgt damit Stabilitätsrisiken.

Regulierung muss filigraner werden

Natürlich ist der Gegenentwurf zur aktuellen Kartellregulierung auch nicht wünschenswert. Unter Biden sahen das Justizministerium und die Aufsicht FTC Fusionen als grundsätzlich nachteilig für das Verbraucherwohl und stemmten sich mit absurden Argumenten gegen Deals wie die letztlich gescheiterten Merger der Supermarktketten Albertsons und Kroger, der Airlines Spirit und Jet Blue sowie der Luxus-Holdings Capri und Tapestry. Diese Zusammenschlüsse hätten es kleineren Anbietern ermöglicht, sich in von Oligopolisten dominierten Märkten besser zu behaupten.

Der aktuelle, zu lockere Kurs der Kartellbehörden zieht allerdings noch deutlich größere wirtschaftliche Folgerisiken nach sich. Die Regulierung muss also filigraner, für Marktteilnehmer zugleich aber berechenbarer werden. Dies erfordert erheblichen Aufwand und Investitionen in Infrastruktur und Belegschaft der entsprechenden Behörden. In einem Amerika, das von wiederholten Shutdowns der Regierung und einem kontraproduktiv-radikalen Bürokratieabbau der Trump-Administration geprägt ist, sind die Aussichten diesbezüglich leider düster.