Mut, Übermut, Kleinmut
Mut, Übermut, Kleinmut
EU-Finanzen
Mut, Übermut, Kleinmut
Von Detlef Fechtner
Man kann der EU-Kommission nicht vorwerfen, dass sie Europa groß denkt – und daher im Sommer große Zahlen vorgeschlagen hat, als sie ihren Vorschag für die Finanzierung der EU nach 2028 präsentiert hat. Zumal absehbar ist, dass die nationalen Regierungen den ursprünglichen Entwurf ohnehin noch stutzen werden. Man kann der EU-Behörde auch nicht zur Last legen, dass sie versucht, die Ausgaben stärker dahin zu lenken, wo über die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit von Europas Wirtschaft entschieden wird – und dass sie sich dafür mit Landwirten und Landräten anlegt, denen schwant, dass im Gegenzug Hilfen für Grünlandpflege und Breitbandausbau schrumpfen werden.
Aber man kann durchaus in Zweifel ziehen, dass es klug von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen gewesen ist, zugleich Länder und Regionen ebenso wie das EU-Parlament aus der Entscheidung über die Mittelverwendung herausdrängen zu wollen. Auch, um gleichzeitig die eigene Position zu stärken, indem Überweisungen aus Brüssel an das Erreichen bestimmter Ziele gekoppelt werden sollen. Die Grenze zwischen Mut und Übermut verschwimmt, wenn sich die EU-Kommission mit ihrem Vorschlag auf allen Seiten Gegner macht – zumal, da sie auf den Segen von Parlament und Rat angewiesen ist.
Naivität oder Vermessenheit?
War es Vermessenheit oder Naivität, die von der Leyen bewogen hat, einen Entwurf zu präsentieren, der schlussendlich das geschafft hat, was gemeinhin nur so schwer gelingt – nämlich Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberale und Grüne zu einem Schulterschluss zu bewegen. Einem Schulterschluss gegen ihre Pläne.
Nun hat sich die EU-Kommissionschefin einen Schritt auf die Parteien der Mitte zubewegt. Ob das reicht, wird man frühestens in einem Jahr sagen können, denn die Verhandlungen über den mittelfristigen Finanzrahmen werden sich noch ziehen. Aber: Ihre Zugeständnisse wirken nun als Ausdruck von Kleinmut. Das Hin und Her zwischen Übermut und Kleinmut wiederum ist alles andere als hilfreich, um das ohnehin schwierige Verhältnis zwischen von der Leyen und dem EU-Parlament zu stärken.
