Nach dem Rausch droht der Kater
Aktienmärkte
Nach dem Rausch droht der Kater
Von Heidi Rohde
Die Euphorie der Investoren wirkt derzeit selbstverstärkend. Ein Zollschock bleibt möglich und der Investitionsbooster zündet spät.
In turbulenten Zeiten bieten die Aktienmärkte ein Bild nahezu ungebremster Euphorie. Der Dax hat seit Jahresbeginn ein Fünftel zugelegt und selbst der durch die erratische US-Wirtschaftspolitik auf eine Achterbahn geratene S&P 500 liegt aktuell rund 4,5% im Plus. Und die Zeichen für die Kurse stehen trotz allem weiterhin auf Gipfelsturm, wenn man der jüngsten Sentix-Stimmungsumfrage unter Investoren glauben darf. Demnach zeigt das im Wochenrythmus erhobene Barometer in Deutschland gegenüber der Vorwoche einen regelrechten „Bärenkollaps“, in den USA ergibt sich ein Stimmungsumschwung von 40%, mit Blick auf den Rückzug der Bären einerseits und den Vormarsch der Bullen.
Dass allein der Waffenstillstand im Iran-Israel-Konflikt genügt, um eine Rally zu nähren, macht einmal mehr deutlich, was sich schon seit längerem bei vielen Indikatoren – auch für die Realwirtschaft – abzeichnet: Die Stimmung ist gegenüber der Lage auf der Überholspur. Das spiegelt hierzulande auch der Ifo-Index, wo die Erwartungen der Unternehmen an das künftige Geschäft der Lage ein ums andere Mal enteilen.
Ein Deal in 90 Tagen
Dahinter verbirgt sich derzeit allerdings wenig mehr als das Prinzip Hoffnung. Das gilt insbesondere mit Blick auf die US-Wirtschafts- und Handelspolitik, deren Auswirkungen für Unternehmen und Investoren undurchsichtiger sind denn je. Das 90-tägige Zollmoratorium läuft am 9. Juli ab. Das Versprechen der Trump-Administration, mit 90 Deals in 90 Tagen den Handelskonflikt so weit zu entschärfen, dass von den angedrohten Hemmnissen wenig übrig bleibt, dürfte kaum zu halten sein. Bisher gibt es einen – mit Großbritannien, der allerdings über Ankündigungen bisher nicht hinaus kommt. Noch weiter als die Briten sind die Europäer von einem belastbaren Verhandlungsergebnis entfernt. Dafür steigt die Nervosität. Jüngste Äußerungen europäischer Spitzenpolitiker lassen erkennen, dass am Null-Zoll-Ziel Abstriche gemacht werden könnten.
Ein Zollschock bleibt damit ein Risiko. Sein Effekt wird auch nicht durch einen deutschen „Investitionsbooster“ aufzufangen sein, dessen Ausgestaltung noch unklar und dessen Wirkung damit kaum zeitnah zu erwarten ist. Daher mag es gut sein, dass die Lage die Stimmung demnächst noch soweit ernüchtert, dass die Investoren nach dem Rausch mit einem Kater aufwachen.