Nächster Griff in die Trickkiste
China
Nächster Griff in die Trickkiste
Chinas Staat will als nächsten Stimulierungsakt Verbraucherkredite sponsern. Das ist eine kreative, jedoch wenig erfolgsversprechende Maßnahme zur breiteren Konsumanregung.
Von Norbert Hellmann
Chinas jüngster Ansatz zur Anregung der Binnennachfrage und Vitalisierung von Shopping-Instinkten ist sicher ungewöhnlich. Nach reichlich Subventionsprogrammen zum Kauf von E-Autos, Konsumelektronik und Haushaltsgeräten sollen die Verbraucher nun mit künstlich zinsverbilligter Konsumkredite zusätzlich gelockt werden. Wie funktioniert chinesische Konsumstimulierung 2.0? Der Staat sorgt dafür, dass Privathaushalte und Kleinunternehmen im Dienstleistungssektor Konsumkredite und kurzfristige Geschäftsdarlehen mit einer Zinsvergünstigung von 1 Prozentpunkt per annum erhalten können. Das ist insofern kein Klacks, als sich Chinas Kreditzinsgefüge auf einem historischen Tief befindet. Gegenwärtig liegen die Konditionen für einjährige Gelder bei leicht über 3%. Die von dünnen Zinsmargen geplagten chinesischen Banken erfahren daraus keinen Nachteil. Nach einer Reihe von Zinsanpassungen mit Druck zur Senkung von Kreditkonditionen kommt der Staat diesmal alleine für die Differenz auf.
Frontloading wird sichtbar
Seitens der Regierung gibt es Anlass für Aktionismus. Die massive Konsumanregungskampagne in diesem Jahr hat Erfolge gezeitigt, die rasch wieder zu verblassen drohen. Subventionen und Abwrackprämien für Haushaltsanschaffungen stärken zwar das Wachstum der Einzelhandelsumsätze maßgeblich, doch sind Frontloading-Effekte im Spiel: Aus vorgezogener Nachfrage mit Schnäppchenkäufen resultieren Dynamikverluste in nachfolgenden Perioden. Erste Anzeichen dafür bringen die Juli-Wirtschaftsdaten. Chinas Einzelhandelsumsätze kletterten im zweiten Quartal um 5,4%, der stärkste Anstieg seit Pandemieende. Im Juli fiel das Wachstum unerwartet schroff auf 3,7% zurück. Den nächsten Aufreger bringt die Kreditstatistik. Das ausstehende Kreditvolumen der Banken ist im Juli gegenüber dem Vorjahr gesunken, die erste derartige Schrumpfung seit 20 Jahren.
Deflation als Hauptproblem
Es mag sich um einen Ausreißer handeln, aber es entsteht ein mulmiges Gefühl. Wenn Chinas Haushalte und Unternehmen plötzlich zu Nettokreditrückzahlern werden, spricht das nicht gerade für investiven und konsumtiven Elan, aus dem künftiges Wirtschaftswachstum genährt werden kann. Einige Faktoren sind hier im Spiel. Chinas monetäre Lockerungsmaßnahmen seit Jahresmitte 2024 bringen die Zinsen für Unternehmens- und Hypothekenkredite auf Rekordtief. Im Abgleich mit einem minimalen Verbraucherpreisanstieg und deutlicher Erzeugerpreisdeflation bedeutet dies jedoch kaum Entlastung auf Ebene der Realzinsen und entsprechend geringe Anregung der Firmenkreditnachfrage. Demgegenüber sorgen die Probleme am Immobilienmarkt mit kontinuierlichem Abstieg der Wohnungspreise für eine starke Drosselung der Hypothekenkreditnachfrage und geschwächtes Konsumvertrauen.
Bremse bei Anlageinvestitionen
Zuletzt hat sich die Regierung zur Bekämpfung von Deflationsgefahren und Eindämmung von Preissenkungswettläufen in Branchen mit Überproduktionsproblemen verschrieben. Daraus resultieren ruckartige Anpassungen bei der Genehmigung von Investitionsprojekten auf Lokalebene, die ebenfalls auf die Kreditstatistik abfärben. Die neue Kreditanregungsmasche mit Zinssubventionen hat dem wenig entgegen zu setzen, weil sich an der Balance zwischen Vorsichtssparen und Konsumbereitschaft der Privaten wenig ändert.
Verschuldungsabbau der Privaten
Chinas Normalbürger sind im Blick auf unsichere Zeiten um „Deleveraging“ bemüht und fahren trotz günstiger Kreditkonditionen und bescheidener Einlagenzinsen ihre Verschuldung zurück. Das hat in erster Linie mit dem Immobilienmarkt als der mit Abstand wichtigsten Vermögensmehrungsquelle zu tun. Der Anreiz für spekulative kreditfinanzierte Wohnungskäufe ist anders als in den drei Dekaden zuvor denkbar gering. Das Einkommenswachstum und die Beschäftigungslage als nächstwichtigste Faktoren für gestärktes Konsumvertrauen lassen stark zu wünschen übrig. Pekings Stimulierungsmasche mit Verbrauchersubventionen sind damit nur bescheidene Erfolge gegönnt. Sie können eine laue Binnennachfrage kurzfristig maskieren, aber das Grundproblem für Konsum- und Kreditzurückhaltung nicht lösen.