Nagelprobe fürs Geschäftsmodell
Deutsche Autobauer
Nagelprobe fürs Geschäftsmodell
Von Stefan Kroneck
Die jüngsten drastischen Gewinneinbrüche legen die strategischen Schwächen der deutschen Autohersteller offen.
Das Geschäftsmodell der exportorientierten deutschen Autoindustrie funktioniert nicht mehr. Der jahrelange Erfolgsgarant des wichtigsten Wirtschaftssektors der größten EU-Volkswirtschaft – die schwerpunktmäßige Ausrichtung auf Westeuropa, Nordamerika und China – garantiert keine Erfolge mehr. Das verdeutlichen die jüngsten Gewinneinbrüche der Autohersteller. Die Marktverwerfungen in China, die US-Einfuhrzölle sowie der schleppende Wandel zur Elektromobilität vor allem in den großen Mitgliedstaaten der EU setzen Volkswagen samt seinen Töchtern Audi und Porsche, aber auch Mercedes-Benz und BMW zu.
Das Konzept der Diversifikation, wonach Geschäftsrisiken gestreut werden, stößt an seine Grenzen, wenn die drei Hauptregionen gleichzeitig Probleme bereiten. Hohe Vorleistungen für E-Fahrzeuge, die erratische Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump und der harte Preiskampf im chinesischen E-Auto-Segment sorgen für erodierende Margen. Anleger schreckt es ab, wenn angesichts der Unwägbarkeiten für manche Adresse die langfristige Zielrendite in weite Ferne rückt. Beispiel Porsche: Es spricht Bände über die Lage des Unternehmens, wenn Vorstandschef Oliver Blume und Finanzvorstand Jochen Breckner zur Vorlage der Halbjahreszahlen keinen Zeitraum mehr nennen, wann die anstrebte operative Marge von 20% erreicht werden könnte. Der Sportwagenbauer stürzte zuletzt auf 1,9% ab.
Alarmstimmung bei Porsche
Genauso wenig überzeugend sind die Aussagen von BMW-CEO Oliver Zipse, wenn dieser mit Verweis auf die noch größeren Rückschläge bei der Konkurrenz es als Erfolg auslegt, dass der Münchner Konzern im Kerngeschäft im zweiten Quartal im Rahmen der eigenen Jahresprognosebandbreite von 5 bis 7% liegt. Wann die auf Dauer anvisierten 8 bis 10% erreicht werden können, lässt das weiß-blaue Dax-Mitglied derweil offen.
Keine Frage, die angespannte Lage ist für die deutschen Autobauer eine Nagelprobe. Die Wahrnehmung über die eigene Situation bestimmt die Tragweite des Handlungsbedarfs. Während Zipse mit Blick auf BMW nach wie vor von einem „robusten“ Geschäftsmodell spricht, schrillen in der Führungsetage von Porsche mittlerweile die Alarmglocken. Blume zufolge „funktioniert das Geschäftsmodell nicht mehr“.
Goldene Zeiten in China vorbei
Letzteres ist aber nicht ausschließlich das Resultat externer Ereignisse, sondern beruht auch auf eigenen Fehlern. Porsche baute zu sehr auf E-Luxusmodelle und vernachlässigte Verbrenner-Autos. Die eingeschlagene Kehrtwende kommt spät, aber wohl nicht zu spät. Währenddessen bricht das Geschäft in China weg aufgrund einer wachsenden Konkurrenz durch aufstrebende lokale Anbieter. Blumes Warnung bildet den Auftakt für eine neue Sparrunde, die wohl einen umfangreicheren Stellenabbau umfasst als bisher beschlossen.
Von Einschnitten dieser Art bleiben BMW-Mitarbeiter bislang verschont. Zipse und seine Mannschaft machten beim Thema Kosten schon früher ihre Hausaufgaben als andere Häuser wie u.a. Mercedes-Benz, deren Luxus-Strategie ebenfalls holprig verläuft. Die deutschen Hersteller setzen unisono auf neue Modelle, um in China Boden gutzumachen. Das könnte zwar den Absatz ankurbeln, die goldenen Zeiten im Reich der Mitte sind aber für sie vorbei. Der Wettbewerbsdruck ist im größten Automarkt der Welt zu groß geworden. Zugleich reguliert Peking den Markt immer stärker, wie die verschärfte Luxussteuer zeigt. Das dämpft die Nachfrage nach Pkw der Oberklasse. Der zu verteilende Kuchen wird kleiner.
Druck zu Verlagerungen
Derweil wächst wegen der Zölle der Druck, Kapazitäten in die USA zu verlagern. Handlungsbedarf besteht vor allem bei Volkswagen/Audi. Das VW-Werk in Chattanooga (US-Bundesstaat Tennessee) hat deutlich geringere Kapazitäten als der BMW-Standort in Spartanburg (South Carolina) und das Mercedes-Werk in Tuscaloosa (Alabama). Das stellt insbesondere die Mexiko-Werke von VW/Audi zur Disposition. Auf lange Sicht schwächt Trumps Vorgehen somit den Standort Deutschland.