Nervöse Anleger, Schwarzseher und Zentralbanken: Alle scharf auf Gold
Gold-Rally
Fundierte Euphorie
Von Martin Dunzendorfer
Am Dienstag ist der Preis für eine Feinunze Gold auf das Rekordhoch von 3.659 Dollar gestiegen. Das ist allein auf Jahressicht ein Plus von 47%. Als arithmetisches Mittel hätte man eine Rendite in etwa gleicher Höhe bis heute jährlich (!) eingefahren, wenn man zur Jahrtausendwende bei einem Preis von rund 290 Dollar eingestiegen wäre. Seither hat sich die Notierung mehr als verzwölffacht. Insbesondere seit der Preis im Februar 2024 das letzte Mal unter 2.000 Dollar je Unze (31,1 Gramm) lag, ging es steil bergauf, wodurch die Zahl der Goldbullen – getreu der Anlagestrategie: The trend is your friend – stark zugenommen hat. So nährt die Hausse die Hausse, um gleich die nächste Börsenweisheit zu zitieren. Längst werden im Überschwang Preisziele von 5.000 Dollar und mehr genannt. Diese Euphorie sollte Investoren aufschrecken, obwohl das positive Umfeld für das Edelmetall nicht so schnell drehen wird.
Unsicherheit auf politischer und ökonomischer Ebene
Die Hauptursachen für die Rally des Goldpreises sind kein Geheimnis. Das sind zum einen die kurz- und mittelfristigen Entwicklungen, etwa die Handels- und Zollkonflikte, die die Konjunkturflaute in weiten Teilen der westlichen Welt und die allgemeine wirtschaftliche Unsicherheit verschärfen, sowie die Kriege in der Ukraine, im Nahen Osten und andere geopolitische Spannungen, die Ängste schüren. Diese Unsicherheit auf politischer und ökonomischer Ebene belebt den Nimbus von Gold als krisenresistente Anlage. Zudem lassen niedrige Wachstumsraten in wichtigen Volkswirtschaften und dicke Fragezeichen hinter Unternehmensergebnissen ein Investment in Gold, das in physischer Form weder Gewinn noch Zinsen abwirft, attraktiver erscheinen.
Diametrale Entwicklung zum Dollar
Auch die Erinnerung an die hohen Preissteigerungsraten der Jahre 2022 und 2023 ist noch frisch. Da Gold der Ruf als Inflationsschutz anhaftet, ist die „Flucht“ in das gelbe Metall angesichts wieder deutlich steigender Lebenshaltungskosten keine Überraschung. Nicht zuletzt treibt der schwache Dollar das Edelmetall an, denn tendenziell verhält sich der Goldpreis umgekehrt zur Entwicklung des Greenback. Das ergibt eine Gemengelage, die für Gold als vermeintlich sicheres und werterhaltendes Investment wie geschaffen ist. Wer auf Basis dieser Faktoren in Gold investiert, handelt taktisch – wird allerdings bei einer Entspannung der wirtschaftlichen und politischen Lage wieder in andere Anlagen, etwa Aktien und Anleihen, umschichten, was den Goldpreis unter Druck bringen würde.
Rückkehr zum Goldstandard
Eine andere in Gold investierte Gruppe wird dem Metall dagegen treu bleiben – Anleger mit einem Hang zu Untergangsszenarien. Tatsächlich gibt es besorgniserregende makroökonomische Entwicklungen: jahrzehntelange ultralockere Geldpolitik, exzessive Schuldenanhäufung und fiskalische Misswirtschaft. Im Unterschied zu den taktischen Goldkäufern rechnen diese Anleger mindestens mit einem Teilzusammenbruch der Finanzmärkte und der Rückkehr zum Goldstandard; also einem Währungssystem, bei dem die Währungseinheit durch eine feste Menge Gold repräsentiert wird. Dieses System bietet Stabilität, vor allem für die Wechselkurse zwischen goldgedeckten Währungen, und schützt vor Inflation, schränkt aber die geldpolitische Flexibilität der Zentralbanken ein.
Ungewöhnlich starke Käufe durch Zentralbanken
Wer Gold aus diesen Gründen gekauft hat, wird selbst bei einer heftigen Korrektur des Preises immer argumentieren, dass die Zeit für goldgedeckte Währungen kommen wird, da die Länder und Zentralbanken zu keiner Kehrtwende in der Fiskal- und Geldpolitik in der Lage sind. Und die Wiedereinführung des Goldstandards ist nicht reine Fiktion. Im Juli 2024 kündigten die BRICS-Staaten –Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – an, eine neue goldgedeckte Währung einzuführen. Das könnte ein Grund für die zuletzt starken Goldkäufe von Zentralbanken sein. Sie verfügen heute über rund ein Fünftel des gesamten, jemals geförderten Goldes.
Anders als in früheren Aufwärtsbewegungen haben diesmal auch die Notenbanken einen erheblichen Teil zur Gold-Rally beigetragen. Im vierten Quartal 2024 stockten sie nach Angaben des World Gold Council ihre Goldreserven um 333 Tonnen auf, im ersten Quartal dieses Jahres um 244 Tonnen und im zweiten um knapp 167 Tonnen.
So beängstigend es ist: Die prozyklischen Käufe der Zentralbanken sind Wasser auf die Mühlen der Schwarzseher und Untergangspropheten.
Seit Februar 2024 ist
der Goldpreis um mehr als 80% gestiegen.
Zumindest Schwarzseher und Zentralbanken dürften langfristig
investiert bleiben.