LeitartikelBasel III

Neue Kapitalvorgaben für US-Banken schießen über das Ziel hinaus

US-Behörden schießen mit ihren Plänen zu strengeren Kapitalvorgaben für Banken über das Ziel hinaus. Die Folge sind drohende Wettbewerbsnachteile der Geldhäuser gegenüber Intermediären ohne Einlagengeschäft sowie Risiken für die Gesamtkonjunktur.

Neue Kapitalvorgaben für US-Banken schießen über das Ziel hinaus

Basel III

Übereifrige US-Regulatoren

Von Alex Wehnert

US-Behörden schießen mit Plänen zu strengeren Kapitalvorgaben für Banken über das Ziel hinaus. Dies birgt Konjunkturrisiken.

US-Behörden planen die umfangreichste Neuregulierung des Bankensektors seit der Finanzkrise 2008 – und schießen dabei über das Ziel hinaus. Die strengeren Kapitalvorgaben, die der staatliche Einlagensicherungsfonds FDIC, die Federal Reserve und die für die Überwachung des nationalen Kreditwesens zuständige OCC vorgeschlagen haben, sollen Teil der Umsetzung des Bankenpakets Basel III in den USA sein. Dementsprechend betonen Behördenvertreter, dass die neuen Regeln schon vor der jüngsten Krise im Finanzsektor auf dem Weg waren. Doch liegt der Verdacht nahe, dass sich die Aufseher von der massiven Kritik an ihren Institutionen nach den Zusammenbrüchen der Silicon Valley Bank, der Signature Bank und der First Republic Bank dazu haben hinreißen lassen, ihre Pläne zu verschärfen. Schließlich weichen die angepeilten Vorgaben deutlich vom internationalen Basel-III-Standardwerk ab.

Der Mindestwert für das harte Kernkapital der US-Banken dürfte infolge der Neuregulierung im Aggregat um 16% steigen. Auf die größten Institute rollen gar Aufschläge von bis zu 20% zu. Damit entstünden ihnen nicht nur Nachteile gegenüber internationalen Wettbewerbern, sondern auch gegenüber Intermediären ohne Einlagengeschäft. Letztgenannten dürften dann zinssensitive Assets zufließen, von denen sich die klassischen Geldhäuser trennen. Somit reduzieren sich zwar die Risiken im Bankensektor, Probleme verschieben sich aber letztlich nur in andere Ecken des Markts für Finanzdienstleistungen und sind damit schwerer überschaubar als zuvor.

Die Pläne enthalten dabei durchaus vernünftige Punkte: So sollen auch Banken ab einer Bilanzsumme von 100 Mrd. Dollar nicht realisierte Gewinne und Verluste innerhalb ihrer Wertpapierportfolios künftig in die Berechnung ihrer Kapitalquoten einfließen lassen müssen. In der Vergangenheit konnten mittelgroße Institute Verluste maskieren, indem sie erklärten, einen Teil ihrer Assets bis zur Fälligkeit halten zu wollen. Diese rächte sich bei der Silicon Valley Bank, die nach einem Einlagenschwund auch solche Held-to-Maturity-Positionen abstoßen musste und damit eine Panik auslöste.

Der Drang nach höherer Transparenz in den Portfolios wird allerdings durch den Übereifer der Regulatoren überschattet, der sich beispielhaft in ihren prohibitiven Formulierungen zu einzelnen Geschäftsbereichen zeigt. So sollen stark gebührenbasierte Segmente künftig als Quelle operationeller Risiken eingestuft werden. Dies würde nicht nur für Firmen mit Fokus auf das Kreditkartengeschäft Belastungen mit sich bringen, sondern auch für Wealth Manager. Dass die Vermögensverwaltung und Anlageberatung für wohlhabende Kunden bei den Behörden im Fokus steht, ist angesichts der gestiegenen Bedeutung dieses Zweigs zwar nachvollziehbar. Doch sollten Regulatoren auch erkennen, dass gerade das Wealth Management die Erträge vieler Finanzinstitute seit der Finanzkrise stabilisiert hat.

Häufig bemühtes Beispiel ist Morgan Stanley, die sich seit 2008 weniger abhängig von volatilen Erträgen aus dem Investment Banking gemacht hat. Doch auch regionale Geldhäuser haben das Wealth Management als Chance erkannt, die Einlagenbasis zu stärken und stabile Beziehungen aufzubauen. Sicher lässt sich argumentieren, dass wohlhabende Kunden zinssensitiver sind als Kleinsparer. Allerdings eröffnet das Wealth Management den Banken neue Vertriebsmöglichkeiten: Vermögende Unternehmer, die privat eine gute Beziehung zu einem Institut unterhalten, dürften sich auch zur Finanzierung ihrer Firma eher an dieses wenden.

Den US-Banken ohne Not die Diversifikation zu erschweren, ist kontraproduktiv. Insgesamt laufen die Pläne der Regulatoren dem Ziel von Basel III entgegen, Marktrisiken und Eigenkapitalbasis globaler Banken einfacher vergleichbar zu machen. In der Branche hält sich die Hoffnung, dass Fed, FDIC und OCC ihre Vorschläge nach Ablauf der Marktkonsultation am 30. November noch anpassen müssen – so lange herrscht Unsicherheit. Diese drückt sich darin aus, dass Aktienrückkaufprogramme der Branchenvertreter auf Eis liegen und regionale Institute die Kreditvergabe bereits einschränken. Der Übereifer der Regulatoren droht damit negative Folgen für die Gesamtkonjunktur zu entfalten.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.