Notiert in WashingtonAnklage eines Präsidenten

Trump hat nun gute Karten

Zum ersten Mal in der Geschichte ist ein US-Präsident wegen angeblicher Straftaten angeklagt worden. Ob Donald Trump einen Prozess wird verhindern können, ist noch unklar. So oder so könnten die politischen Folgen immens sein.

Trump hat nun gute Karten

Notiert in Washington

Trump hat nun gute Karten

Von Peter De Thier

Es waren Bilder, die in die Annalen der amerikanischen Geschichte eingehen werden: Ein sichtlich irritierter Ex-Präsident mit bierernster Miene, der sich anhören muss, wie 34 Vorwürfe des Betrugs gegen ihn verlesen werden. Ungeachtet der Aufregung um die Anklage gegen Donald Trump verlief dessen Nachmittag beim Obersten Strafgericht von Manhattan weniger dramatisch als erwartet. Es blieben nicht nur von harmlosen Ausnahmen abgesehen die Protestaktionen aus, sondern auch jener Zirkus, der bei Trumps öffentlichen Auftritten sonst zur Tagesordnung gehört. 

Eine Stunde später stieg er nämlich, ohne ein einziges Wort gegenüber den Medien verloren zu haben, in seinen Privatjet, verschwand in den Wolken über New York und zog sich wieder auf sein  Anwesen Mar-a-Lago in Florida zurück. Erst dort blies Trump dann abends mit einem Potpourri seiner „Greatest Hits“ wieder zum Angriff: Attacken gegen Staatsanwalt Alvin Bragg, Beschwerden über die bösen Demokraten und die angeblich gestohlene Wahl sowie die „korrupten Ermittlungen“ gegen ihn. Das Selbstvertrauen könnte berechtigt sein, denn Rechtsexperten zufolge mangelt es der Anklageschrift an Substanz, und eine Klageabweisung oder ein Freispruch könnten Trump wieder ins Weiße Haus katapultieren.  

Trump ist nicht nur der erste Präsident, der jemals vor ein Strafgericht gestellt wurde. Er ist zugleich der einzige aktive Bewerber um die Präsidentschaft, der echte Chancen hat, 2024 gewählt zu werden. Angesichts der Warnungen des Richters, der auf die juristischen Folgen weiterer verbaler Entgleisungen hingewiesen hatte, übte sich der Unternehmer daher zumindest  in Manhattan in Zurückhaltung und schlug erst später in seiner Wahlheimat Florida umso aggressivere Töne an.

 Unterdessen gelten die wichtigsten Fragen nun den juristischen und politischen Konsequenzen. Die meisten der 34 Anklagepunkte bezogen sich auf Schweigegeldzahlungen an Trumps angebliche ehemalige Geliebte Stormy Daniels. Daraus wiederum leitete Staatsanwalt Bragg eine Theorie ab, die sich juristisch auf brüchigem Boden bewegt. Mit den Zahlungen an Daniels, eine andere Liebhaberin und einen Pförtner, der über Beweise verfügen wollte, dass Trump ein uneheliches Kind hatte, wollte der Präsidentschaftskandidat 2016 die Wahl manipulieren, argumentiert Bragg. Wären kurz vor dem Urnengang nämlich weitere Skandale des Republikaners ans Tageslicht gekommen, dann wäre die Demokratin Hillary Clinton womöglich die erste Präsidentin in der Geschichte geworden, so die unterschwellige Anspielung in der Anklageschrift.

Nachvollziehbar ist folglich die Zuversicht, vor der Trumps Anwälte strotzen. So ist nämlich fraglich, ob ein Staatsanwalt mit Zuständigkeit für New York überhaupt befugt ist, eine Person wegen der Verletzung eines Bundesgesetzes anzuklagen. So behauptet Bragg, dass die Schweigegeldzahlungen, die als „Anwaltsgebühren“ ausgewiesen wurden, gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung verstoßen hätten. Folglich wollen die Advokaten des Ex-Präsidenten Klageabweisung beantragen und könnten damit auch Erfolg haben. 

Auch will sich Bragg auf die Aussagen zweier fraglicher Kronzeugen stützen, nämlich Daniels selbst und Trumps ehemaliger Anwalt Michael Cohen, der wegen der Zahlungen selbst hinter Gittern saß. Möglich ist andererseits auch, dass der Richter, der bereits den früheren Finanzchef der „Trump Organisation“ ins Gefängnis schickte, mit dem Ex-Präsidenten einen Präzedenzfall schaffen will, um zu beweisen, dass jeder tatsächlich gleich ist vor dem Gesetz. Gleichwohl würde ein Freispruch Trumps Behauptung, das Opfer einer „politischen Hexenjagd“ zu sein, Legitimität verleihen und ihn politisch stärken. Es sei denn, er wird wegen Wahlmanipulation in Georgia, seiner Rolle bei der Stürmung des US-Kapitols oder der Entwendung geheimer Regierungsdokumente angeklagt. Delikte, die schwerer wiegen als Braggs Vorwürfe, und Trumps Kampagne schwer belasten würden. 

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