Notiert inBerlin

Lindners weißer Fleck

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) interessiert sich mehr für Auftritte bei Bürgern als für den Bundeshaushalt – zumindest legt dies der öffentliche Terminkalender nahe.

Lindners weißer Fleck

Notiert in Berlin

Lindners weißer Fleck

Von Angela Wefers

Manchmal zeigen sich die großen Dinge im Kleingedruckten. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) wirbt in eigener Sache, dabei rückt seine Kärrnerarbeit aus dem Blick. Der Monatsbericht des Bundesfinanzministeriums ist eine trockene Lektüre – gespickt mit Zahlen über die Entwicklung der Steuereinnahmen oder die Kreditaufnahme des Bundes. Eine kleine Rubrik darin gehört aber zu den hilfreichen und verlässlichen Standards: Die Termine des Bundesfinanzministers. So gilt eine Übersicht den internationalen finanz- und wirtschaftspolitischen Terminen wie G20- oder G7-Treffen, den Tagungen des Internationalen Währungsfonds oder den Sitzungen von Eurogruppe und Ecofin in Brüssel.

Das zweite Fixum ist seit Jahren der Terminplan für die Aufstellung des Bundeshaushalts. Dieser reicht üblicherweise von der Verständigung über die Eckwerte im März, der Steuerschätzung im Mai, dem Regierungsentwurf im Sommer über die diversen Durchgänge in Bundesrat und Bundestag sowie die Steuerschätzung im Herbst bis hin zur Verabschiedung im Dezember. Im neuen Juli-Monatsbericht des Ministeriums findet sich dazu: nichts. Schon im Frühjahr reichte die Terminplanung zum Etat 2024 nur bis zum Kabinett im Sommer. Der weitere Verlauf blieb im Dunkeln. Als Lindner den im Juni geplanten Kabinettstermin wegen des Streits in der Koalition abblasen und auf ungewisse Zeit verschieben musste, verschwand der Plan komplett aus dem Monatsbericht. Nachdem der Haushaltsentwurf von Regierungsseite steht, sollte nun aber ein Zeitplan für den Herbst ausgearbeitet sein. Dies erfordert schon die Steuerschätzung, in die so viele Personen involviert sind, dass die im Bundesfinanzministerium inzwischen alltäglich gewordene Ad-hoc-Terminplanung garantiert zum Scheitern verurteilt wäre. Aber Lindner setzt Prioritäten und bietet ein Alternativprogramm.

Anstelle eines weißen Flecks im Monatsbericht werden nun „Veranstaltungen des BMF“ annonciert. „Bundesfinanzminister Christian Lindner auf Tour, JETZT im Dialog in …“ lauten die Programpunkte unisono. In Wuppertal spricht Lindner am 12. August, in Berlin am 19. und am 20. August, in Burg in Sachsen-Anhalt am 24. August und zum Abschluss in Oldenburg am 30. September. Stationen der Dialog-Sommerreise in Fürstenfeldbruck, Hamburg, Münster und Weimar liegen schon hinter ihm. Bürger können mit dem Bundesfinanzminister über die Herausforderungen diskutieren, vor denen Deutschland steht – Inflation, Klimawandel, Krieg in Europa. Lindner will erklären, wie Land und Wirtschaft stark für die Zukunft werden sollen.

Die AfD hat sein Auftritt in Weimar irritiert. Sie will mit einer parlamentarischen Anfrage klären lassen, ob Lindner als Mitglied der Regierung oder als FDP-Vorsitzender auf Dialogtour ist. Vor allem aber will die Partei, die in Thüringen die Umfragen anführt, wissen: „Welche Gründe gab es dafür, dass der Bundesfinanzminister dem Thüringer Publikum empfohlen hat, die Linkspartei zu wählen?“ Der Tageszeitung „Die Welt“ zufolge hatte Lindner in Weimar die AfD als „größtes Standortrisiko für Ostdeutschland“ bezeichnet und gesagt, im Notfall könnte man noch die Linkspartei wählen – auch wenn es ihm in der Seele wehtue. Vielleicht sollte der Minister seine Prioritäten doch beim Bundeshaushalt setzen. Auch wenn die Sache im Herbst beim Parlament liegt.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.