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Notiert in Moskau: Facetten im Umgang mit Russen

Sich immer mehr von den Russen abzuschotten, ist wahrscheinlich nicht der Weisheit letzter Schluss. Den Missbrauch durch Geburtentourismus abzustellen war aber überfällig.

Notiert in Moskau: Facetten im Umgang mit Russen

Von Eduard Steiner

Notiert in Moskau

Facetten im Umgang mit Russen

Dass der Westen sich dem Umgang mit Russen seit Beginn des Ukraine-Kriegs fast total verschlossen hat, gehört zu einer der fragwürdigen Reaktionen. Ernst zu nehmende Ökonomen und politische Beobachter haben von Anfang an kritisiert, dass man mit Sanktionen gegen Oligarchen diese eigentlich mit Dutzenden Mrd. Dollar nach Russland zurückgetrieben habe und so nicht nur die russische Wirtschaft gestärkt, sondern sich selbst auch die Möglichkeit genommen habe, diese Top-Leute zu Verbündeten gegen das russische Regime zu machen. Dazu kommt, dass durch die Sperre der Kreditkarten geschätzt 60 Mrd. Dollar, die Russen pro Jahr im Urlaub und über E-Commerce in den Westen transferierten, nicht mehr aus dem Land fließen.

Dann ist da noch der Punkt, dass bis zu eine Million vorwiegend gut ausgebildeter junger Männer, die vor einem Einsatz an der Front ins Ausland geflüchtet sind, nicht in den Westen durften – noch heute irren Hunderttausende von ihnen zwischen Zentralasien, Südkaukasus, Türkei und Ostasien herum. „Man hätte ihnen eine Aufenthaltsgenehmigung anbieten können unter der Bedingung, dass sie keine Sozialleistungen hier bekommen und von ihrem eigenen Geld leben und arbeiten“, sagte Vladislav Inozemcev, einst kurzzeitig Kremlberater unter Präsident Dmitrij Medwedjew und heute in den USA lebender Ökonom, im Gespräch mit der „Börsen-Zeitung“. „25 bis 30 Milliarden Euro wären so aus Russland nach Europa geflossen. Europa hätte Geld bekommen und das Vertrauen eines Teils jener Russen, die Putin nicht mögen. Jetzt mögen sie nicht nur Putin nicht, sondern auch Europa nicht.“

Deutschland plant noch härteres Vorgehen

Gerade Deutschland will, dass Europa noch härter in dieser Richtung weitergeht. Wie n-tv berichtete, macht sich Deutschland – im Zuge der EU-Planungen für ein neues Sanktionspaket – für eine restriktivere Vergabe von Einreiseerlaubnissen in den Schengenraum stark. Die Leitlinien dafür gibt es ja schon seit 2022, doch die Umsetzung ist mangelhaft. Denn EU-Daten zufolge haben Konsulate europäischer Länder in Russland im vergangenen Jahr 542.000 Visa (vorwiegend touristische) ausgestellt – um ein Fünftel mehr als 2023. Am großzügigsten waren dabei Italien und Griechenland.

Natürlich wird nicht jeder Russe oder jede Russin, die mit Westeuropa Kontakt haben, gleich zu glühenden Europäern. Aber die Wahrscheinlichkeit steigt, wie sich in den Nullerjahren in Russland gezeigt hat – was übrigens den autoritären Machthabern zunehmend sauer aufzustoßen begann. Argentinien begann derweil in den vergangenen Jahren sauer aufzustoßen, dass Tausende schwangere Russinnen eingereist sind, um dort zu gebären. In Argentinien geborene Kinder erhalten nämlich automatisch die dortige Staatsbürgerschaft und alle staatlichen Zuwendungen. Nun hat das Land verständlicherweise die Bremse gezogen und gewährt die Staatsbürgerschaft erst, wenn man zwei Jahre den ständigen Wohnsitz in Argentinien hat.

Die spanische Zeitung El País berichtete, dass zwischen Februar 2022 und Februar 2025 rund 10.500 schwangere Russinnen für die Geburt nach Argentinien gekommen waren.