Notiert inParis

Menschen in Massen

In einigen besonders malerischen oder berühmten Orten Frankreichs ist die Zahl der Besucher seit Covid gerade zu explodiert. Einige haben bereits die Reissleine gezogen. Politiker fordern auch strengere Regeln für Airbnb und Co.

Menschen in Massen

Notiert in Paris

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Von Gesche Wüpper

Sie sprechen Deutsch, Englisch oder Spanisch. Ob in der Pariser Métro, in Cafés an der Côte d’Azur oder auf der Einkaufsstraße in Bordeaux: Mit den steigenden Temperaturen nimmt in Frankreich auch die auf öffentlichen Plätzen zu hörende Sprachvielfalt zu. Immerhin war es bereits vor Covid das beliebteste Reiseziel der Welt. Daran hat sich bisher nichts geändert. Im Gegenteil. Denn in einigen besonders malerischen oder berühmten Orten wie dem Mont-Saint-Michel, Gordes in der Provence und Étretat in der Normandie explodieren die Besucherzahlen seit dem Ende der Corona-Beschränkungen. Die Unruhen vor anderthalb Wochen dürften daran nur wenig ändern, da sie vor allem dem Image von Paris geschadet haben.

Allein im letzten Jahr haben ausländische Touristen in Frankreich nach Angaben der Tourismusagentur Atout France rund 58 Mrd. Euro in die Kassen gespült. Und doch ruft der Übertourismus, der an einigen Orten zu beobachten ist, inzwischen auch die Regierung auf den Plan. Der Staat könne zwar nicht von oben alles regeln, sagte Tourismusministerin Olivia Grégoire dem “Figaro”. Aber es sei an ihm, zusammen mit den Regionen und Touristenorten Methoden zu entwickeln, um Besucher und Einwohner zu informieren oder Gemeinden bei der Regulierung der Besucherströme zu helfen. Grégoire hat deshalb eine nationale Beobachtungsstelle und einen Ratgeber lanciert. Ende des Jahres sollen verschiedene Arbeitsgruppen folgen. An einer sollen auch Influencer beteiligt werden, damit sie mit ihren Beiträgen auf Sozialen Netzwerken nicht länger dafür sorgen, dass einige Orte von Besuchern überrannt werden.

Da der Ansturm seit Covid besonders auf Orte zugenommen hat, die für ihre Naturschönheit bekannt sind, haben einige Orte nicht gewartet, dass die Regierung das Problem erkennt. Wer beispielsweise die fotogene Calanque de Sugiton bei Marseille besuchen will, muss seit Sommer letzten Jahres vorher reservieren. Die Zahl der Besucher ist limitiert, damit sich die Natur wieder erholen kann. Die gegenüber von Hyères gelegene Insel Porquerolles wiederum hat bereits 2021 ein Abkommen mit den Schifffahrtsgesellschaften geschlossen, die sie von Marseille, Toulon, Hyères oder anderen Orten der Côte d’Azur aus ansteuern. Sie haben ihre Buchungssysteme so aufeinander abgestimmt, dass die Obergrenze von 6.000 Besuchern pro Tag nicht überschritten wird. Da das Übernachtungsangebot auf der Insel überschaubar und eher hochpreisig ist, ist sie vor allem bei Tagesausflüglern beliebt.

Die Obergrenze bringe für alle Vorteile, meint Yves Arnal, der Chef der Fährgesellschaft Bateliers de la Côte d’Azur. Habe sich die Nachfrage früher vor allem auf bestimmte Tage konzentriert, verteile sich sein Umsatz inzwischen gleichmäßiger. Die Quote helfe auch, Wasserversorgung und Müllentsorgung besser zu organisieren, sagt Marc Duncombe, Direktor des Nationalparks Port-Cros et Porquerolles. Er hat nur zu gut in Erinnerung, dass der Besucheransturm an einem Sommertag 2020 zum Zusammenbruch der Trinkwasserversorgung geführt hat. Duncombe denkt auch darüber nach, das Ankern vor Porquerolles umweltfreundlicher zu gestalten. Damit sich der Meeresgrund besser erholen kann, will die Insel Ankerbojen installieren. Denn an einigen Tagen im Sommer sehe man das Meer vor lauter Segel- und Motorbooten nicht mehr, erklärt Duncombe.

Um die negativen Folgen von Vermietungsplattformen wie Airbnb und Booking zu mildern, fordern französische Politiker ebenfalls strengere Regeln. So plädieren zwei Abgeordnete der Assemblée Nationale in einem Bericht zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Olympischen Spiele 2024 dafür, die Begrenzung der Vermietung eines Hauptwohnsitzes auf Plattformen wie Airbnb in Paris noch weiter zu senken, von 120 auf 60 Tage pro Jahr. Wirtschaftsminister Bruno Le Maire befürwortet zudem eine höhere Besteuerung der Einnahmen aus den Vermietungen über Airbnb und Co. Frankreich rechnet mit bis zu 15 Millionen Besuchern zu Olympia.

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