KommentarGetreidepreise

Nur zeitweiliger Anstieg

Das Ende der Ausfuhren ukrainischen Getreides über das Schwarze Meer hat die Preise nach oben getrieben. Sie dürften aber bald wieder sinken.

Nur zeitweiliger Anstieg

Getreidepreise

Nur zeitweiliger Anstieg

Von Dieter Kuckelkorn

Das Ende der Ausfuhren ukrainischen Getreides über das Schwarze Meer hat die Preise nach oben getrieben. Sie dürften aber bald wieder sinken.

Russland hat dieser Tage das Abkommen nicht verlängert, das den Export ukrainischen Getreides über das Schwarze Meer trotz des laufenden Kriegs ermöglicht hat. Dieser Schritt, den Russland damit begründet hat, der Westen habe seine Verpflichtungen im Rahmen des Abkommens nicht erfüllt, hat erhebliche Sorgen bei einigen Marktteilnehmern und in der Politik geweckt, die Preise für Getreide, vor allem Weizen, könnten stark steigen. In der Tat ist es an den Terminmärkten zu sehr deutlichem Preisreaktionen gekommen. So hat sich beispielsweise Weizen am Chicago Board of Trade (CBoT) binnen zwei Tagen um rund 10% verteuert. Gelegentlich ist sogar von einer neuen Lebensmittelkrise die Rede, die besonders die armen Länder treffe.

Davon ist in der Realität jedoch wenig zu sehen. Aktuell befindet sich der Weizenpreis noch weit unter dem Niveau zu Beginn des Ukraine-Kriegs, als die Gefahr bestand, dass sowohl die Lieferungen ukrainischen als auch russischen Weizens komplett ausfallen würden. Aktuell notiert der Monatskontrakt am CBoT zu 7,50 Dollar je Scheffel, damals waren es in der Spitze 12,87 Dollar. Das derzeitige Preisniveau war aber etwa in den Jahren 2010 bis 2013 der Normalfall.

Dass der Markt trotz des Ausfalls der ukrainischen Lieferungen über das Schwarze Meer relativ entspannt ist, liegt daran, dass die weltweite Versorgung momentan gut ist. Trotz des Ukraine-Kriegs dürften die weltweiten Lagerbestände an Weizen 2023 erstmals seit einigen Jahren wieder steigen. Es gibt nämlich ungewöhnlich hohe Exporte von Ländern wie Australien und Russland, und es erholen sich die kanadischen Exporte wieder. Und was den Weltmarkt für Mais betrifft, so wird mit rekordhohen Ausfuhren Brasiliens gerechnet. Von Knappheit ist also nichts zu spüren. Daher dürften die Preisreaktionen an den Terminmärkten kurzfristiger Natur sein.

Die Erwartung, dass der Weizenpreis wieder nachgeben wird, steht allerdings unter einem großen Vorbehalt: Sollte eine Zuspitzung des Kriegs sowohl die ukrainischen als auch die russischen Getreideexporte verhindern, würde das die Preise kräftig nach oben treiben. Das ukrainische Verteidigungsministerium hat jetzt angekündigt, zivile Frachtschiffe, die russische Schwarzmeerhäfen ansteuern, als legitime militärische Ziele anzusehen – eine Reaktion auf spiegelbildliche Drohungen aus Moskau in Bezug auf Schiffe auf dem Weg in ukrainische Häfen. Auch im eigenen Interesse sollte der Westen der ukrainischen Regierung deutlich machen, dass sie hier zu weit geht.

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