BlickfeldStaatseinfluss in Italien

Italiens Regierung mischt sich immer mehr ein

Italiens Staat weitet seinen Einfluss in der Wirtschaft massiv aus. Mit seiner Unterstützung steht die teilstaatliche Monte dei Paschi di Siena vor der Übernahme der Mediobanca und wird damit auch größter Aktionär der Generali.

Italiens Regierung mischt sich immer mehr ein

Blickfeld

Rom zieht in der Wirtschaft immer mehr die Fäden

Der Staat weitet seinen Einfluss bei Banken und anderen Unternehmen massiv aus.

Von Gerhard Bläske, Mailand
bl Mailand

Unter Premierministerin Giorgia Meloni hat Italien international enorm an Ansehen gewonnen. Der Spread gegenüber deutschen Staatsanleihen ist massiv gesunken und Italien refinanziert sich inzwischen zu Zinssätzen wie sie Frankreich hat. Der Vertrauensgewinn ist jedoch nur teilweise gerechtfertigt. Denn die Schulden steigen, die Wachstumsraten sind gegen null gesunken und nötige Reformen stocken oder sind beerdigt worden. Die Politik der Regierung ist sogar wettbewerbsfeindlich, was ihr Kritik aus Brüssel eingebracht hat. Doch das stört Meloni nicht. Sie hat den Einfluss der Politik in der Wirtschaft massiv ausgeweitet. Die Golden-Power-Regelung, die lange vor ihr eingeführt worden ist, sollte ursprünglich zentrale Infrastrukturen oder den Rüstungssektor vor feindlichen Übernahmen schützen. Doch sie wurde auf fast alle Sektoren der Wirtschaft ausgedehnt.

Unter Nutzung der Befugnisse, die die Golden-Power-Regelung bietet, wurde etwa die Übernahme der drittgrößten Bank BPM durch Unicredit verhindert. Formal hatte Rom dagegen zwar kein Veto eingelegt. Doch die Bedingungen, die dafür gestellt wurden, waren so streng, dass die HVB-Mutter auf das Vorhaben verzichtete – obwohl ein italienisches Gericht der Bank teilweise Recht gab. Außerdem prüft die EU-Kommission den Fall und hat wettbewerbsrechtliche Bedenken. Meloni behelligt das nicht. Die Übernahme hätte Roms Bemühungen im Weg gestanden, eine dritte große italienische Bankengruppe zu bilden.

Genügend Machtmittel

Nun richtet sich die Aufmerksamkeit der Unicredit auf die Commerzbank. Die Beteiligung wurde durch die Umwandlung von Derivaten auf 26% erhöht und soll bis auf 29% steigen. Dabei ignoriert sie den Widerstand sowohl der Bundesregierung als auch der Bank selbst und der Gewerkschaften. Die Erfolgs-Chancen stehen nicht schlecht: Anders als in Rom gibt es in Berlin keine Golden-Power-Regelung.

Doch auch ohne Golden Power verfügt Italiens Regierung über genügend Machtmittel, um die Wirtschaft zu lenken. Sie unterstützt die geplante Übernahme der Mediobanca durch die teilstaatliche Monte dei Paschi di Siena (MPS), bei der sie mit 11,7% Hauptanteilseigner ist. Das Vorhaben steht unmittelbar vor der Realisierung. Es handelt sich dabei um eine koordinierte Aktion, bei der Rom als Hauptanteilseigner „verschiedene Akteure dazu veranlasst hat, diese Operation direkt oder indirekt zu unterstützen“, wie Mediobanca-CEO Alberto Nagel sagt. Damit meint er vor allem den regierungsnahen Bau- und Medienunternehmer Francesco Caltagirone und die Holding Delfin der Familie Del Vecchio (Essilorluxottica). Diese versuchen seit Jahren, einen dominierenden Einfluss in Italiens Finanzsektor zu gewinnen. Nagel glaubt, dass es schon bei dem Verkauf einer 15% prozentigen Staatsbeteiligung an der MPS im November 2024 an Caltagirone, Delfin und die BPM nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Er spricht von einer abgestimmten Aktion. Interessenten wie Blackrock und Unicredit seien nicht zum Zug gekommen – ein Thema, das auch die Justiz beschäftigt.

Transmissionsriemen

Gemeinsam kontrollieren Caltagirone und Delfin nun 20% der MPS-Anteile, 30% der Mediobanca und 20% der Generali. Sie handeln zum Teil im Einklang mit der Benetton-Holding Edizione. Es ist wahrscheinlich, dass nun eine neue Finanzgruppe aus Monte dei Paschi, Mediobanca und Generali entsteht, denn die Mediobanca ist mit 13% auch größter Aktionär der Generali. Womöglich ist da dann auch noch die BPM dabei, die mit 9% an der MPS beteiligt ist. Und der Staat wäre ebenfalls mit einer Beteiligung an Bord. Für Rom und die genannten Investoren wäre die neue Bankengruppe künftig eine Art Transmissionsriemen zur Umsetzung ihrer Pläne: Ein enormes Machtinstrument.

Die Regierung rechtfertigt ihr Handeln damit, dass Institute wie Unicredit und Generali in hohem Maße Staatsanleihen halten und dies, zur Wahrung der Stabilität des hoch verschuldeten Landes, auch künftig tun müssten. Das Verhalten der Regierung erinnert überdies an frühere Zeiten, als diverse italienische Regierungen aus Hinterzimmern von Instituten wie der Mediobanca die Fäden zogen: Die Mediobanca etwa hielt damals viele Unternehmensbeteiligungen und war mehrmals an Aktionen zur Rettung des damaligen Fiat-Konzerns beteiligt.

Machtmanöver

Die liberale Zeitung Domani spricht von Machtmanövern. Und die Meloni-Partei Fratelli d’Italia bekennt sich dazu, eine Neuordnung etwa im Bankensektor anzustreben. Die von Meloni im Sommer 2023 selbst ausgeheckte Strafsteuer auf Bankenübergewinne, die angesichts der heftigen Börsenreaktionen de facto beerdigt werden musste, zeigt, welch Geistes Kind die Wirtschaftsambitionen der Regierung sind. US-Präsident Donald Trump handelt nicht viel anders.

Privatwirtschaftliche und staatliche Interessen werden auf eine höchst bedenkliche Art und Weise miteinander verquickt – zum Wohle auch der beteiligten Unternehmer. Doch gegenüber internationalen Investoren, die Transparenz schätzen, könnte damit wertvolles Vertrauen verspielt werden. Sie favorisierten etwa die vor allem von Caltagirone und Delfin bekämpfte Übernahme der Banca Generali durch die Mediobanca, durch die ein großer Vermögensverwalter entstanden wäre.

Milliarden-Kosten

Auf anderen Gebieten handelt Rom nicht anders. Dass die Regierung etwa die Macht des chinesischen Großaktionärs Sinochem bei Pirelli stark begrenzt hat, mag noch nachvollziehbar sein. Dass aber der französische Telecom-Italia-Großaktionär Vivendi herausgeekelt wurde, ist weniger verständlich. Doch Rom konnte so die Festnetzsparte von Telecom Italia (TIM) herauslösen und sich daran beteiligen. Die mehrheitlich staatliche Post stieg als Großaktionär bei TIM ein.

Nun will der Staat erneut den Stahlkoloss Ilva retten, an dem viele Arbeitsplätze in Süditalien hängen. Doch das dürfte den Steuerzahler, der schon Unsummen in das giftige Ungetüm gesteckt hat, noch einmal Milliarden kosten. Ohne staatliche Hilfe findet sich angesichts der unkalkulierbaren Risiken aber kein Investor.

Mehr Schaden als Nutzen

Das Eingreifen des Staates hat schon in der Vergangenheit meist mehr Schaden als Nutzen angerichtet. Frühere Großkonzerne wie Falck, Montedison, Parmalat oder Olivetti sind nur noch ferne Erinnerungen. Und auch Fiat, Alfa Romeo, Lancia und Maserati fristen im französisch dominierten Stellantis-Konzern nur noch ein Schattendasein. Der Nutzfahrzeugkonzern Iveco wird gerade von der indischen Tata geschluckt.

Staatskapitalismus

Und doch kann es Rom nicht lassen. Der Staat hält direkt oder indirekt über die Staatsbank Cassa Depositi e Prestiti (CDP) noch immer bedeutende Beteiligungen an einigen der größten Werte der Mailänder Börse, darunter Enel, Eni, Leonardo, Fincantieri, der Post, Telecom Italia oder STMicroelectronics sowie vielen anderen und bald vermutlich, über die teilstaatliche Monte dei Paschi, auch an der Generali. Staatskapitalismus at its best, aber nicht unbedingt im Interesse des Steuerzahlers – auch wenn es bisweilen üppige Dividendenzahlungen geben mag.