Sportinvestoren

Öldollars vergiften den Fußball

Die Ölscheichs sammeln die Top-Marken des Fußballs ein, packen Leverage oben drauf und verderben so die Preise. Das nimmt kein gutes Ende.

Öldollars vergiften den Fußball

Mit sinkender Bilanzqualität und wachsenden Verlusten begeben sich immer mehr Clubs der Serie-A auf die Suche nach Investoren, die zunächst Löcher stopfen und dann mit Investitionen in Kader und Stadioninfrastruktur eine Rückkehr zu den glorreichen Zeiten der 80er und 90er Jahre bewerkstelligen sollen. Italien hat im Clubfußball den Anschluss an die Top vier England, Spanien, Deutschland und Frankreich verloren, weil sich in der Liga dieselben Beharrungskräfte durchsetzten wie im ganzen Land. Reformiert wird nur, wenn einem das Wasser bis zum Hals steht.

Die Handlungsbereitschaft ist durch die mit Corona verbundenen Einnahmeausfälle beschleunigt worden. Bei dem einen monatlichen Verlust von 15 Mill. Dollar anhäufenden Verein Inter Mailand kommt nun der Saudi Arabia Public Investment Fund (PIF) zum Zuge, der für eine Mehrheit an der „Nerazzurri“ 1 Mrd. Dollar zahlen soll. Der chinesische Eigentümer Suning Holdings verkauft seinen Anteil von 70 %, nachdem die vergangene Spielzeit zwar den Scudetto, aber eben auch einen Verlust von 320 Mill. Dollar einbrachte. Der Verkauf von Romelu Lukaku und Achraf Hakimi spielte zwar 150 Mill. Euro ein, aber der Kader ist immer noch viel zu teuer. Ein Problem, das die Nerazzurri gemeinsam haben mit dem Sanierungsfall FC Barcelona, der unter Verbindlichkeiten von 1,35 Mrd. Euro ächzt, aber trotzdem kurzfristig 55 Mill. Euro für den Wunschtransfer Ferran Torres mobilisierte, bevor man sich von Altlasten im Kader trennt. Selbst der von Roman Abramovich alimentierte Champions-League-Sieger Chelsea London meldete einen Verlust von 156 Mill. Pfund. Gab es nicht eigentlich mal so etwas wie Financial Fairplay im europäischen Fußball?

Angesichts eines EU-Stabilitätspakts, dessen Einhaltung erodiert ist, mag diese Entwicklung im Fußball nicht verwundern. Nur darf man sich dann auch nicht beschweren, wenn russische Oligarchen, US-Hedgefonds und mit Petrodollars hantierende Ölstaaten das Kommando übernehmen. Das aus einem 430 Mrd. Dollar schweren Staatsfonds operierende Saudi-Arabien sichert sich mit Inter eine Ikone des internationalen Fußballs. Mit solchen Marken im Portfolio wird man salonfähig auf dem diplomatischen Parkett: Man darf heute schon gespannt sein, welche Staatschefs und CEOs in den Logen des vor der Modernisierung stehenden San Siro Platz nehmen werden – es geht schon der Begriff „Sportswashing“ um.

Vor den Saudis sind US-Fonds bei acht Serie-A-Clubs eingestiegen, darunter Elliott Management beim San-Siro-Partner AC Mailand. Die Saudis wiederum haben sich nach zähen Verhandlungen Newcastle United gesichert und stehen vor dem Kauf von Olympique Marseille – noch ein klangvoller Name. Damit treten die Saudis in Konkurrenz zu Katar, die Paris St. Germain zum Ligaprimus gepäppelt haben. Erst der Friedensschluss mit dem katarischen Sportrechtehändler Beinsports machte überhaupt den Weg frei für den Newcastle-Deal. Und Abu Dhabi hat als Eigner von Manchester City die ersehnte Champions-League-Trophäe schon in der Vitrine stehen. Um das defizitäre Profiteam weiter anzuschieben, hat City 650 Mill. Dollar aufgenommen, die von HSBC, Barclays und KKR bereitgestellt wurden. Das liegt noch über den 525 Mill. Dollar, die Goldman Sachs für Barcelona arrangierte. Und irgendwann sind Ölscheichs und Finanzinvestoren dann unter sich im europäischen Clubfußball – wäre da nicht der renitente FC Bayern, der Katar nur als Sponsor hat.

Doch selbst die von der 50+1-Regel geschützte Bundesliga könnte von ausländischen Investoren unterwandert werden, mit entsprechenden Folgen für den Wettbewerb. Beim FC Augsburg hat der US-Fonds Bolt Anteile vom Club-Präsidenten Klaus Hoffmann übernommen – ein beherrschender Einfluss Dritter ist in dieser Konstellation möglich. Wo das alles endet? Sportliche Großereignisse gehen vorzugsweise nach Russland, Katar oder China und nur noch von Petrodollars finanzierte Clubs gewinnen Titel. Der Bundesliga könnte künftig die Rolle des kleinen gallischen Dorfes zukommen, das nicht aufhört, Widerstand zu leisten gegen das die bodenständige Clubkultur vergiftende Öldollar-Kapital – das sollte sie kampfeslustig annehmen und unbedingt an 50+1 festhalten. Da Fußball-Clubs in der Regel Gewinne reinvestieren müssen, kann Leverage nicht abgebaut werden. So bleibt der Verkauf weiterer Anteile an lokale Investoren, womit man langsamer wächst, aber dafür nachhaltig. In der Bundesliga macht Eintracht Frankfurt vor, wie das geht.

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