Notiert inNew York

Off-Broadway macht harte Zeiten durch

Die Kategorie der mittelgroßen New Yorker Theater verliert eins ihrer populärsten Stücke. Dabei steht der Off-Broadway ohnehin schon unter großem Druck.

Off-Broadway macht harte Zeiten durch

Notiert in New York

Off-Broadway unter Druck

Von Alex Wehnert

Alicia Keys ist aktuell ein "Girl on Fire", um den Titel eines der größten Hits der R&B-Ikone zu bemühen. Denn mit ihrem halb autobiografischen Musical "Hell's Kitchen" eilt die Sängerin von Erfolg zu Erfolg: Im Public Theater im Off-Broadway, der Kategorie der mittelgroßen New Yorker Bühnen, spielen ihre Darsteller seit der Premiere im Oktober Abend für Abend vor ausverkauftem Haus. Die große Nachfrage machte sogar eine Verlängerung der Spielzeit nötig. Nun zieht das Musical ins Shubert Theater um, eine der begehrtesten Bühnen am Broadway.

Keys zeigt sich angesichts des Erfolgs von "Hell's Kitchen" verständlicherweise außer sich vor Freude und Spannung. Mit dem Umzug an den Broadway erfülle sie den Traum ihrer Mutter, die als Teenagerin von Ohio nach New York gezogen sei, um eine Schauspielkarriere zu verfolgen, gibt die Sängerin gegenüber US-Medien zu Protokoll. Doch nicht jeder teilt ihre Begeisterung.

Publikumsmagnet bricht weg

Um es Börsen-Zeitungs-gerecht zu formulieren: Der Aufstieg von Keys' Musical an den Broadway gleicht der Heraufstufung eines Hochzinsemittenten in den Investment-Grade-Bereich. Für die Künstler bzw. den Schuldner bedeutet dies einen großen Schritt, da sie sich somit ein neues Publikum erschließen – Musical-Stars können aufgrund der höheren Aufmerksamkeit künftig höhere Gagen aushandeln, Corporates häufig eine günstigere Refinanzierung. Doch für den High-Yield-Markt bzw. den Off-Broadway bedeutet der Verlust eines der stabilsten Emittenten bzw. eines der populärsten Musicals einen Rückschlag, verliert er doch einen für Investoren bzw. das Publikum attraktiven Faktor.

Für die kleineren New Yorker Theater ist dies aktuell besonders schmerzhaft, macht die Szene laut der Interessengemeinschaft Off-Broadway League doch ohnehin eine ihrer bisher härtesten Saisons durch. Die Personal- und Produktionskosten stiegen rasant, es herrsche ein Mangel an Arbeitskräften und Philanthropen konzentrierten ihre Bemühungen inzwischen stärker in anderen Bereichen. All diese Faktoren kämen zu einem Zeitpunkt zusammen, zu dem die staatlichen Nothilfen für die Kreativbranche aus Corona-Zeiten größtenteils aufgebraucht sind. Zugleich will New Yorks Bürgermeister Eric Adams Budgetkürzungen durchdrücken, die auch die Kulturförderung betreffen würden.

Erfolgsserien gerissen

Die Zuschauerzahlen sind unterdessen deutlich gesunken. Mit "Hell's Kitchen" bricht nun ein Publikumsmagnet weg, der bei Zuschauern während seiner Spielzeit auch Interesse an einem Besuch anderer Off-Broadway-Shows geweckt hat. Unterdessen ist die Erfolgsserie langjähriger Hits in den mittelgroßen New Yorker Theatern gerissen. Das auf Percussion-Instrumenten gespielte Musical "Stomp" gab Anfang 2023 nach 29 Jahren seine letzte Vorstellung im Orpheum Theater, zuvor hatten die Ticketverkäufe stetig nachgelassen. Für die Shakespeare-Adaption "Sleep No More" ist im Januar nach 13 Jahren Schluss.

Viele Off-Broadway-Betriebe sind Non-Profit-Organisationen und verfügen damit nicht über langfristige Reserven. Häuser wie das Signature Theater, eine von Stararchitekt Frank Gehry entworfene Kombination aus drei Bühnen, oder das Vineyard Theater haben ihre Spielpläne für die Wintersaison aufgrund der hohen Produktionskosten eingedampft. Andere sind gezwungen, Personal einzusparen. Und das New Ohio Theater im West Village hat seine Pforten 2023 nach 30 Jahren ganz geschlossen.

Theaterfans üben sich in Zweckoptimismus

Die Hoffnung ruht nun auf kommerziell betriebenen Produktionen. Die Komödien "Titanique" und "Little Shop of Horrors" sind im Off-Broadway zu Dauerhits geworden. Die Amazon-Tochter Audible hat das Minetta Lane Theater angemietet und produziert dort Shows, die sie auch auf ihrer Audio-Plattform überträgt. Und auch dem Umzug von "Hell's Kitchen" an den Broadway können Theaterfans Positives abgewinnen. Schließlich zeige er, dass im Off-Broadway noch Erfolgsgeschichten möglich seien. Eine solche optimistische Haltung ist nun einmal Bestandteil des "Empire State of Mind", um einen weiteren Hit von Alicia Keys zu zitieren.

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