LeitartikelBig Tech in der KI-Blase

Open AI droht der tiefe Fall vom hohen Ross

Ob die Milliardensummen, die für KI mobilisiert werden, jemals zurück verdient werden, ist Investoren komplett undurchschaubar. Börsenaspirant Open AI bewegt sich in einer Blase, die vor dem IPO zu platzen droht.

Open AI droht der tiefe Fall vom hohen Ross

Big Tech in der KI-Blase

Unter Geheim-Agenten

Von Heidi Rohde

Ob die für KI mobilisierten Milliarden jemals zurückverdient werden, ist für Investoren komplett undurchschaubar. Open AI bewegt sich in einer Blase, die vor dem IPO zu platzen droht.

Die Gigantomanie von Big Tech war nie so groß wie seit Beginn der öffentlichen KI-Faszination, die der Open AI-Agent ChatGPT entfacht hat. Um die gesamte Menschheit in den Genuss einer künstlichen Superintelligenz (AGI) kommen zu lassen, gönnt sich der KI-Star der frühen Stunde eine milliardenschwere Zusage nach der anderen, um den Ausbau der benötigten Rechnerkapazitäten voranzutreiben. Geld eintreiben will das Unternehmen, das noch immer nach einem gewinnbringenden Geschäftsmodell sucht dem Vernehmen nach im kommenden Jahr bei einem Börsengang. Der soll 60 Mrd. Dollar mobilisieren und das defizitäre Startup mit bis zu 1 Bill. Dollar bewerten. Ob diese Ambition von den Investoren mitgetragen wird, erscheint allerdings zunehmend zweifelhaft.

Warnschuss gegen Meta

Denen wird nämlich allmählich mulmig bei den Fantastilliarden, die Big Tech im Rennen um den Spitzenplatz bei KI aufwendet, ohne dass ein konkreter Return auf die Investitionen erkennbar wird. Entsprechend haben die Anleger die Aktie von Meta Platforms in den Keller befördert, nachdem die Gesamtaufwendungen des Konzerns im dritten Quartal den kräftigen Umsatzsprung von gut einem Viertel nochmals deutlich überstiegen, was CEO Mark Zuckerberg auch mit der notwendigen Positionierung für eine kommende Superintelligenz begründete. Dafür steckt Meta unter anderem zweistellige Milliardenbeträge in eigene Rechenzentren. Neue eigene KI-Agenten, die diese Kapazitäten zur Entwicklung künftiger Produkte und Dienste als Ertragsbringer nutzen, sind derweil offenbar in hochgeheimer Mission unterwegs. Man sieht sie nicht.

Der nächste große Flop?

Zuckerbergs nebulöse Prophezeihungen erinnern stattdessen stark an das sogenannte Metaverse, von dem seit längerem nicht mehr die Rede war. Vor knapp zehn Jahren hat der Meta-Chef die künstlichen Realitäten als das „nächste große Ding“ und als „Revolution des Internets“ gefeiert und dafür ebenfalls jahrelang hohe zweistellige Milliardenbeträge spendiert, ohne dass die Anleger je einen wirtschaftlichen Nutzen davon gesehen hätten. Investoren sind daher nicht ohne Grund äußerst skeptisch.

Aufholjagd von Google

Anders fällt das Urteil über Alphabet aus. Der Konzern hat die Geldmaschine Google, der durch den sagenhaften Aufstieg von ChatGPT praktisch der Untergang prophezeit wurde, geschickt mit dem eigenen KI-Agenten Gemini aufgerüstet. Die Zahl der monatlich aktiven Nutzer wächst rasant, von 350 Millionen im März auf inzwischen über 400 Millionen. Die KI rückt damit ChatGPT (rund 600 Millionen) und Meta (500 Millionen) schnell näher. Allerdings funktioniert einzig bei Google die unmittelbare indirekte Monetarisierung, denn die Suchmaschine spielt neben der Antwort auf die an Gemini gestellte Frage auch weiterhin eine Fülle von zielführenden Links aus, so dass das etablierte Geschäftsmodell weiterhin gestützt wird. Ein Umsatzsprung von gut einem Sechstel sprengte im dritten Quartal die Erwartungen.

Lichtjahre entfernt

Die Aufholjagd von Google unterhöhlt den Frontrunner-Nimbus, auf den Open AI ihre geradezu stratophärischen Bewertungshoffnungen bei einem möglichen Börsengang stützt. Denn in dem Maße wie der Suchmaschinengigant bei seinen KI-Funktionen mit ChatGPT gleichzieht, dürfte sich nach Einschätzung von Analysen die hohe Bindekraft der ikonischen Google-Suche bei den Nutzern immer mehr zugunsten des Unternehmens auswirken. Hinzu kommt, dass Open AI von einem funktionierenden Geschäftsmodell, das die gigantischen Rechenzentrumsinvestitionen tragen kann, gefühlte Lichtjahre entfernt ist.

Während digitale Infrastruktur als Fundament der KI-Revolution bei Investoren hoch im Kurs steht, kommen gleichwohl erste Zweifel an Dimension und wirtschaftlicher Tragfähigkeit auch dieser Assetklasse auf. Zum einen herrscht Skepsis, ob die Nachfrage mit den Kapazitäten wirklich Schritt hält, zum anderen sind Energiebedarf und Umweltfolgen ungeklärt. Eine Antwort kann Open AI vor einem IPO nicht geheim halten. Sonst droht bei der Bewertung der tiefe Fall vom hohen Ross.