KommentarÜbernahmepoker um die Commerzbank

Orcel punktet im Kampf um Deutungshoheit

Die Unicredit-Attacke auf die Eigenständigkeit der Commerzbank ist in eine neue Phase eingetreten. Jetzt geht es um die Deutungshoheit – und CEO Bettina Orlopp hat einen schweren Stand gegen ihren rhetorisch versierten Widersacher.

Orcel punktet im Kampf um Deutungshoheit

Unicredit/Commerzbank

Kampf um die Deutungshoheit

Von Anna Sleegers

Wendig wie eh und je hat sich Unicredit-Chef Andrea Orcel am Donnerstag auf dem „Bankengipfel“ in Frankfurt gegeben. Seinen Wunsch, sich die Commerzbank einzuverleiben, untermauerte er zunächst mit dem Argument, dass Europa stärkere Banken brauche, um eine Chance im Wettbewerb mit den Wirtschaftsblöcken USA und China zu haben. Dann aber schoss er gegen die Verteidigungslinie der Commerzbank, aus deren Sicht grenzüberschreitende Fusionen erst nach der Vollendung der Bankenunion Mehrwert schaffen können. Da es ihm die regulatorischen Vorgaben ohnehin nicht erlaubten, Liquidität zwischen den europäischen Bankenmärkten zu verschieben, handele es sich ja im Grunde um einen nationalen Konsolidierungsakt.

Orlopp ist keine Visionärin

Der Kampf um die Commerzbank ist in eine neue Phase gegangen, das ist in dieser Woche deutlich geworden. Jetzt geht es um die Deutungshoheit. Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp wird dabei einen schweren Stand haben gegen ihren rhetorisch versierten Widersacher. In ihrer kühl-rationalen Art nimmt man der früheren McKinsey-Beraterin ab, dass sie die Commerzbank auf Höchstleistungen trimmen kann. Auch scheint sie die Belegschaft hinter sich zu wissen, auch wenn das bei jeder Gelegenheit zur Schau getragene Wir-Gefühl der Gelben nach den Rosskuren der vergangenen Jahre nicht immer authentisch wirkt. Doch eine Visionärin ist Orlopp nicht.

Schwache Rückendeckung aus Berlin

In diesen (geo-)politisierten Tagen könnte dieses Defizit die Commerzbank am Ende die Eigenständigkeit kosten. Kaum eine Ansprache kommt dieser Tage aus, ohne die ökonomische oder militärische Zeitenwende heraufzubeschwören. Orlopps Abwehrstrategie greift da zu kurz. Denn sie basiert im Wesentlichen auf der Steigerung von Renditekennziffern und ist vollständig autoreferentiell. Auch die argumentatorische Rückendeckung aus Berlin ist schwach. Die Empörung über die vermeintlich schlechten Manieren der Italiener ist zu wenig, um die betriebswirtschaftliche Logik des Zusammenschlusses zu schlagen, den Orcel geschickt in den Kontext der neuen geopolitischen Weltordnung einbettet.