Partygate, japanische Art
Partygate, japanische Art
Notiert in Tokio
Partygate, japanische Art
Von Martin Fritz
Wie der Vater, so der Sohn: Japans Premierminister Fumio Kishida entstammt einer Politikerfamilie, schon sein Vater und sein Großvater saßen als Abgeordnete im Parlament. Also soll sein ältester Sohn Shotaro in diese Fußstapfen treten und später den Wahlkreis Hiroshima Nummer 1 übernehmen. Deswegen beförderte Vater Kishida ihn im Oktober zu seinem „Sekretär für politische Angelegenheiten“, um die politische Karriere zu starten. Den Vorwurf der Vetternwirtschaft wies Kishida damals zurück, obwohl für diese Arbeit eigentlich Vorwissen über die Abläufe in Parlament und Partei notwendig ist. Sein Plan ging dann doch noch gründlich schief: Seit Donnerstag ist Shotaro arbeitslos.
Was war passiert? Der Sohnemann hatte am 30. Dezember einige Verwandte zu einer Jahresendfeier in die offiziellen Räume der Residenz des Regierungschefs eingeladen. Die Umgebung verführte die Partygäste zu spaßigen Schnappschüssen: Sie ahmten das offizielle Standardfoto zur Einführung eines neuen Kabinetts nach und stellten sich wie eine neue Ministerriege auf der Treppe der Residenz auf. Shotaro nahm die Mittelposition ein, die sonst dem Premier vorbehalten ist. Andere Gäste taten am Pult für Pressekonferenzen so, als ob sie Fragen von Journalisten beantworten würden.
Die große Empörung der Opposition über das „Partygate japanischer Art“ – eine Anspielung auf die Partys des britischen Premiers Boris Johnson in seinem Amtssitz unter Bruch von Corona-Regeln – veranlasste Kishida, seinem Sohn eine „strenge Warnung“ zu erteilen. Aber der öffentliche Druck blieb so groß, dass er schließlich die Notbremse zog. „Sein Verhalten war unangemessen für eine Person in einer offiziellen Position“, sagte der Premier. „Ich habe beschlossen, ihn abzulösen, um dies zu verdeutlichen.“
Mit seinem Schritt reagierte Kishida auch auf einen plötzlichen Einbruch seiner Popularität. Laut einer Umfrage der Zeitung „Nikkei“ sank seine Unterstützungsrate von 52% im April auf 47%. Der Rückgang kam unerwartet – eigentlich hatten Beobachter nach dem erfolgreichen G7-Gipfel in Hiroshima mit dem Überraschungsgast aus der Ukraine einen positiven Effekt erwartet. Die Medien spekulierten bereits, Kishida könnte vorgezogene Neuwahlen ansetzen, um den Sprung in seiner Beliebtheit auszunutzen. Doch das Verhalten seines Sohnes vermasselte diesen Plan, falls es ihn überhaupt gegeben hatte.
Vertraute des Regierungschefs beschreiben Shotaro als „bescheiden“ und als „aufrechten jungen Mann“. Medienberichten zufolge wurde er schon in jungen Jahren von seinem Vater darauf hingewiesen, dass er doppelt so hart wie andere arbeiten müsse, weil 50% seiner Arbeit darauf zurückgeführt würden, dass er der Sohn eines einflussreichen Politikers sei. Andererseits scheint dem 32-Jährigen die notwendige Sensibilität dafür zu fehlen, dass er im Rampenlicht der Öffentlichkeit steht. Schon nach wenigen Monaten hagelte es Kritik, als er bei einer Europareise seines Vaters mit einem Dienstwagen der japanischen Botschaft Souvenirs einkaufen fuhr. Damals verteidigten ihn Beamte noch damit, dass er auch politische Gespräche geführt habe.
Später kolportierte ein Wochenmagazin den Verdacht, Shotaro habe Informationen über den bevorstehenden Rücktritt eines Ministers an eine Fernsehreporterin durchgestochen. Angeblich hatte der Sender Fuji TV die junge Frau auf Shotaro „angesetzt“. Es hatte sich nämlich herumgesprochen, dass Shotaro gerne an Verkupplungspartys teilnahm und sich besonders für aufstrebende und gutaussehende Medienfrauen interessierte.
Der „Skandal“ nahm vor wenigen Tagen eine neue Wende, als das Magazin „Friday“ berichtete, Kishida selbst habe lange an der Party seines Sohnes teilgenommen. Als Beweis veröffentlichte „Friday“ ein Foto des Regierungschefs inmitten seiner Verwandten. Darauf bestätigte Kishida seine Teilnahme, er habe sich jedoch „nicht unangemessen“ verhalten. Fortsetzung folgt.
