Private Equity spaltet die Branche der Vermögensverwalter
Private Equity spaltet Vermögensverwalter
Unabhängige Vermögensverwalter kämpfen mit Konsolidierungsdruck. Zwischen Private Equity und Identitätsfragen geht es um die Zukunft eines Berufsbilds.
Von Wolf Brandes, Frankfurt
Die Branche der unabhängigen Vermögensverwalter in Deutschland und der Schweiz erlebt einen tiefgreifenden Strukturwandel. Ein Sektor, der lange von Individualität und unternehmerischer Freiheit geprägt war, sieht sich zunehmend mit Konsolidierungsdruck konfrontiert. Das zeigt sich nicht nur an prominenten Zusammenschlüssen wie HRK Lunis mit Grossbötzl, Schmitz & Partner oder der Expansion von Cinerius Financial Partners, sondern auch an einer sich wandelnden Haltung gegenüber Private-Equity-Investoren.
Die Quirin Privatbank will ihr Wachstum künftig ebenfalls durch Übernahmen unabhängiger Vermögensverwalter vorantreiben, wie CEO Karl Matthäus Schmidt gegenüber Bloomberg sagte. Erste Gespräche liefen bereits, und spätestens im nächsten Jahr sei mit ersten Deals zu rechnen. Schmidt sieht gute Chancen, da viele Vermögensverwalter in Deutschland vor dem Ruhestand stehen und Nachfolgelösungen suchen. Auch die Berenberg Bank habe nach eigenen Angaben ein Auge auf unabhängige Vermögensverwalter geworfen.
„Wir beobachten in Deutschland bereits seit einigen Jahren eine Konsolidierung bei den unabhängigen Vermögensverwaltern“, erklärt Florian Grenzebach, Vertriebsvorstand der V-Bank. Der Treiber ist ein Mix aus regulatorischen Anforderungen, demografischem Wandel und zunehmender Professionalisierung. Der Druck zur Digitalisierung sowie wachsender Wettbewerb durch Banken und Fintechs verschärfen die Situation zusätzlich.
Demografischer Druck
Ein häufiger Auslöser für Fusionen ist eine ungelöste Nachfolge. In der Schweiz müssen laut einer Studie 60% der unabhängigen Geldverwalter in den nächsten drei bis fünf Jahren Nachfolger finden. Ähnliche Dynamiken zeigen sich in Deutschland: „Der wichtigste Treiber wird sein, dass viele Gesellschafter aufgrund ihres Alters eine Nachfolgelösung suchen werden“, betont Joël Schüepp, CEO von Cinerius.
Plattformen wie Cinerius oder HRK Lunis sind in den Markt eingestiegen, um unabhängige Vermögensverwalter zu kaufen und weiterzuentwickeln. 2023 fusionierte Lunis Vermögensmanagement mit dem Münchner Vermögensverwalter Huber, Reuss & Kollegen zu HRK Lunis. Ein Jahr später folgte die Übernahme des Hamburger Vermögensverwalters Providens.
Im Frühjahr 2023 war der Private-Equity-Investor Seven2 bei HRK Lunis eingestiegen. Der Investor, früher unter dem Namen Apax Partners bekannt, sieht in der fragmentierten Struktur des deutschen Marktes großes Wachstumspotenzial. Ziel des Einstiegs war es, HRK Lunis beim Aufbau einer Plattform für unabhängige Vermögensverwalter zu unterstützen.
Auch das Beteiligungsunternehmen Amauris Invest ist aktiv: Es übernahm bereits 2022 den bekannten Vermögensverwalter Lingohr & Partner. 2023 folgte Ficon Vermögensmanagement. Cinerius wiederum integrierte unter anderem BV & P, KSW Vermögensverwaltung, Habbel, Pohlig & Partner sowie Ringelstein & Partner. Dabei geht es nicht nur um Wachstum, sondern auch um den Fortbestand erfolgreicher Unternehmen: „Die Nachfolgeregelung über Cinerius hat mir geholfen, loszulassen“, lässt sich Anton Vetter, Vorstand der BV & P Vermögen, zitieren.
Verbund mit Unternehmergeist
Doch die Integration ist nicht ohne Risiko. Andreas Kitta, Vorstand beim Verband unabhängiger Vermögensverwalter Deutschland (VuV), warnt: „Die Vielfalt macht Zusammenschlüsse schwierig – viele Unternehmer haben bewusst den Weg in die Selbständigkeit gewählt und wollen an ihrer eigenen Idee festhalten. Wenn man zwei Unternehmen zusammenfügt, muss einer die Identität aufgeben.“ Das sei eine Mammutaufgabe, die häufig Zusammenschlüssen im Weg stehe.
Dennoch gibt es differenzierte Ansätze bei der Konsolidierung. Cinerius bietet zwei Modelle: die vollständige Integration oder die Beibehaltung der Eigenmarke als Teil eines dezentralen Hubs. Wichtig sei, so das Unternehmen, „dass die Partner kulturell in die Gruppe passen“. Auch HRK Lunis verfolgt diesen Spagat zwischen Integration und Unabhängigkeit. Artur Montanhas, Vorstand bei HRK Lunis, betont: „Wir wollen wachsen, aber ohne dabei die Individualität der Berater zu verlieren. Jeder bleibt Unternehmer, jeder bleibt frei in der Kundenbetreuung.“
Private Equity auf dem Vormarsch
Ein kontroverses Thema in der Branche ist die Rolle von Private-Equity-Investoren. Während einige Plattformen wie Cinerius oder HRK Lunis auf Unterstützung durch Investoren wie Seven2 setzen, äußern andere Marktteilnehmer Skepsis. „Viele meiner Kollegen haben bei Private-Equity-Gesellschaften Bauchschmerzen, weil da ganz andere Interessen ins Spiel kommen“, warnt VuV-Vorstand Kitta. Die Angst: Kurzfristige Renditeziele könnten langfristiges Kundeninteresse untergraben.
HRK Lunis widerspricht dieser Einschätzung. Montanhas: „Unsere Erfahrung mit unserem PE-Partner JC Flowers war das Gegenteil: konstruktiv, partnerschaftlich.“ Der neue Mehrheitseigentümer Seven2 bringe zudem nicht nur Kapital, sondern auch digitale Expertise mit. Der Einstieg von Seven2 zeigt, dass Investoren in der Konsolidierung des Vermögensverwaltungsmarktes Wachstumspotenzial sehen.
Wachstum durch Qualität?
Die Motivation zur Konsolidierung ist vielschichtig. Neben dem Wunsch nach Nachfolgeregelungen stehen Skaleneffekte, Effizienzsteigerung und Professionalisierung des Angebots im Fokus. „Wenn man integriert wie wir, spart man Kosten, reduziert Komplexität und schafft Effizienz“, so Montanhas. Zudem können Ressourcen gebündelt und neue Dienstleistungen aufgebaut werden, etwa ein gemeinsames Investment Office oder digitales Reporting.
Plattformanbieter wie Cinerius betonen gleichzeitig, dass sie ihren Partnern helfen, „mehr Zeit für die Kundeninteraktion“ zu schaffen, indem Compliance, IT und Regulatorik zentralisiert werden. Wachstum entsteht dabei auch durch Add-on-Akquisitionen – kleinere Vermögensverwalter werden in bestehende Strukturen integriert, ohne deren DNA zu verlieren.
Der Markt hat Potenzial
Trotz der Dynamik ist die Konsolidierung noch kein Selbstläufer. „Wir stellen fest, dass die Übernahmen bisher sehr überschaubar sind“, sagt Kitta. Der deutsche Markt sei immer noch kleinteilig – rund 425 Firmen gibt es in Deutschland.
Gleichzeitig wächst das verwaltete Vermögen kontinuierlich. Laut einer Studie des Instituts für Vermögensverwaltung betreuen deutsche unabhängige Vermögensverwalter im Durchschnitt rund 495 Mill. Euro. Auch die Zahl der Kunden ist mit durchschnittlich 607 auf einem historischen Höchststand. Die Branche ist also wirtschaftlich gesund – und dennoch unter Druck. Regulatorik, Digitalisierung, ESG-Druck, Fachkräftemangel und sich wandelnde Kundenerwartungen verlangen nach mehr Professionalisierung, ohne die Individualität zu opfern.
Plattform oder Pioniergeist
Die Konsolidierung in der Branche der unabhängigen Vermögensverwalter ist mehr Evolution als Revolution. Erfolgreiche Modelle balancieren zwischen Effizienz und Identität, zwischen Skalierung und Unternehmertum. Oder wie es Grenzebach von der V-Bank formuliert: „Da kommen Partner wie wir ins Spiel, um den unabhängigen Vermögensverwaltern Fertigungstiefe abzunehmen und ihnen diese Effizienz und Innovationsfähigkeit zu ermöglichen.“
Eigenständige Akteure
DJE Kapital und Flossbach von Storch (FvS) stehen für eine andere Kategorie im Markt: Sie entstammen der Tradition unabhängiger Vermögensverwalter, agieren heute aber als Assetmanager. Beide Häuser verwalten Milliarden – rund 16 Mrd. Euro bei DJE, über 70 Mrd. Euro bei FvS – und kombinieren individuelle Betreuung vermögender Privatkunden mit einem großen Angebot an Fonds und Mandaten. Trotz ihrer Größe bleiben sie inhabergeführt. Anders als viele kleinere Häuser, die durch Plattformen oder Private Equity eingebunden werden, sind DJE und FvS nicht Teil der Konsolidierungsbewegung.