LeitartikelFernsehen

ProSiebenSat.1 macht den Aktionären wenig Spaß

Das Unternehmen kämpft mit dem schwachen Werbegeschäft und der Unruhe wegen einer Tochterfirma. Die größte Aufgabe für ProSiebenSat.1 ist aber die Transformation des Fernsehmarkts.

ProSiebenSat.1 macht den Aktionären wenig Spaß

ProSiebenSat.1

Programm ohne Spaß

Von Joachim Herr

Die Aktionäre haben wenig Freude an ihrer Investition. Der Geschäftserfolg hängt nach wie vor stark von der TV-Werbung ab.

Unterhaltung ist das Kerngeschäft von ProSiebenSat.1. Die meisten Aktionäre haben jedoch seit längerem weder Freude noch Spaß mit ihrer Investition in den Medien- und Internetkonzern. Die Dividende für das vergangene Jahr wurde radikal gekürzt, der Aktienkurs dümpelt in der Spanne von 7,50 bis 9 Euro dahin. Im Herbst 2015, kurz bevor das Unternehmen für zwei Jahre in den Dax aufstieg, hatte der Wert in der Spitze 50 Euro übertroffen.

Damals honorierten die Investoren die Strategie, mit Beteiligungen an Internetunternehmen wie dem Parfumhändler Flaconi und dem Verbraucherportal Verivox eine zweite Säule neben dem Fernsehen aufzubauen. So reduzierte ProSiebenSat.1 die Abhängigkeit von den TV-Werbeerlösen, die stets stark mit der Konjunktur schwanken. Deren Anteil am Konzernumsatz halbierte sich auf etwa 40%, doch damit erodierte die Marge. Denn Reklame ist mit einer Umsatzrendite vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von rund 30% das mit Abstand profitabelste Geschäft und bleibt entscheidend für den Ertrag.

Schwelendes Risiko

Nach der Flaute im ersten Jahr der Coronapandemie erholten sich die Werbeeinnahmen kräftig. Das änderte sich schlagartig mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine, der hohen Inflation und dem frostigen Konsumklima. Nun hofft der Vorstand – gestützt auf die Buchungen im Juni und die Konjunkturprognosen der Wirtschaftsforscher – auf eine Belebung der Werbeerlöse in dieser Jahreshälfte.

Auch wenn es so kommt, ist längst nicht alles gut für die Aktionäre. Das Unternehmen schlägt sich mit einer womöglich unsauberen Bilanzierung der Mehrheitsbeteiligung Jochen Schweizer Mydays herum, die Erlebnisgutscheine vertreibt. Das Geschäftsmodell wurde inzwischen geändert, eine interne Untersuchung gegen Vorstände läuft, die Staatsanwaltschaft München analysiert den Fall. Das Risiko einer finanziellen Belastung schwelt weiter.

RTL ist nicht dabei

Die größte und schwierigste Aufgabe ist für ProSiebenSat.1 aber nach wie vor die Transformation. Die Reichweiten des linearen Fernsehens sinken, vor allem unter den jüngeren Zuschauern. Deshalb baut das Unternehmen wie der Konkurrent RTL das Streaming-Geschäft aus. Beide verfolgen jedoch ganz unterschiedliche Ansätze: RTL vertraut der eigenen Stärke und der Plattform RTL+, ProSiebenSat.1 setzt dagegen auf Joyn als Sammelplatz für private und öffentlich-rechtliche Sender. ARD und ZDF sind mit ihrem linearen Programm dabei, aber eben nicht RTL. Das ist eine erhebliche Schwäche von Joyn. Und auch die Mediatheken von ARD und ZDF sind bisher außen vor.

Die öffentlich-rechtlichen Anstalten bauen ein gemeinsames Streaming-Netzwerk auf. Dass Bert Habets, der Vorstandschef von ProSiebenSat.1, mit seinem Werben für ein verstärktes Engagement auf Joyn Erfolg haben wird, lässt sich kaum vorstellen: Warum sollten ARD und ZDF die Regie für ihre Mediatheken aus der Hand geben? Und dass mit dem Bündeln der Kräfte auf Joyn der von Habets propagierte Schutz der Zuschauer vor der Flut von Desinformationen gelingt, ist ebenfalls zweifelhaft.

Unklare Pläne von MFE

RTL-Chef Thomas Rabe verfolgt die Idee, mit einem Zusammenschluss mit ProSiebenSat.1 den US-amerikanischen Streaming- und Internetkonzernen Paroli zu bieten. Sein Konzept nationaler Champions scheiterte jedoch schon in Frankreich und den Niederlanden an der Wettbewerbsaufsicht. Hierzulande wäre an erster Stelle der Medienstaatsvertrag eine hohe Hürde. Zu Recht: Die Vielfalt von Programmen und Meinungen ist ein hohes Gut.

Gegen Amazon, Netflix & Co. will Media for Europe (MFE), der italienische Großaktionär von ProSiebenSat.1, mit einer paneuropäischen Zusammenarbeit standhalten. Bisher sind die Pläne jedoch nicht einmal vage, und ProSiebenSat.1 hat im früheren Senderverbund mit der SBS Broadcasting Group keine Vorteile erreicht. Impulse für den Aktienkurs gibt die Aussicht auf eine engere Kooperation mit MFE jedenfalls nicht. So bleibt den Aktionären die Hoffnung auf eine baldige Konjunkturerholung und ein besseres Konsumklima. ProSiebenSat.1 kann sich von den Zyklen des Geschäfts nicht lösen.