Regulierer verweigern ESG-Vertriebshilfe
ESG
Regulierer verweigern Vertrieb
Von Sebastian Schmid
Für Unternehmen ist Regulierung eine Belastung, die oft kostentreibend und gewinnmindernd wirkt. Allerdings ist das nur eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite stehen die Gesellschaften, die von neuer oder bestehender Regulierung profitieren. Die Beraterzunft lebt zu einem nicht unbeträchtlichen Teil davon, dass Compliance-Pflichten zu erfüllen sind. Böse formuliert könnte man sagen: Der Regulierer hat schon oft dafür gesorgt, dass es Brei regnet und die Berater nur genug Mitarbeiter finden mussten, die rechtzeitig ihre Löffel hinhalten.
Berater ohne Betätigungsfeld
Mit dem Bürokratieabbau bei der ESG-Regulatorik droht sich das Blatt zu wenden. Davon profitieren insbesondere Mittelständler, die kostenseitig entlastet werden und weniger Aufwand betreiben müssen. Verlierer sind ESG-Berater und Wirtschaftsprüfer, die den bislang an den Regulierer ausgelagerten Vertrieb wieder selbst übernehmen müssen. Sind also die Heerscharen an ESG-Experten in Unternehmen und Beratungsgesellschaften plötzlich ohne Betätigungsfeld, nun, da die Bundesregierung Vorgaben wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zurückschneidet? Nein. Denn die Sorgfaltspflichten bestehen weiter, nur die Berichtspflicht wird zurückgefahren. Ohnehin ist das deutsche Gesetz ein Auslaufmodell, das perspektivisch durch die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) abgelöst wird.
Noch ein Fuß in der Tür
Die EU-Regulatorik ist der eigentliche Brei-Lieferant. Die Portionen werden aber auch auf europäischer Ebene kleiner. Die EU will im Omnibus-Verfahren für Vereinfachung sorgen und 80% der zuvor berichtspflichtigen Unternehmen von der Nachhaltigkeitsberichterstattung wieder ausnehmen. Das trifft die Wirtschaftsprüfer, die sich auf eine Flutwelle verpflichtend zu prüfender ESG-Berichte gefreut hatten. Doch die Regulierer verweigern den Vertrieb. Künftig zählen auch bei ESG-Themen in erster Linie strategische und ökonomische Argumente. Die sollten die Berater besser heute schon auspacken. Noch haben sie bei vielen Firmen einen Fuß in der Tür. Den regulatorischen Freifahrtsschein, dass das so bleibt, gibt es nicht (mehr).