Rüstung und Nachhaltigkeit passen nur begrenzt zusammen
Rüstung und Nachhaltigkeit passen nur begrenzt zusammen
Rüstung und Nachhaltigkeit passen nur begrenzt zusammen
In Verteidigung können Privatanleger über ETF investieren. Ob diese Themen auch zum Konzept der Nachhaltigkeit passen, ist höchst umstritten. Die Allianz will für die meisten ihrer Artikel-8-Fonds Kernwaffen zulassen.
Von Thomas List, Frankfurt
Von Thomas List, Frankfurt
Rüstung und Verteidigung sind spätestens seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ein großes Thema. Das gilt auch für die Kapitalmärkte und damit auch für Fonds. Erste Rüstungsfonds wurden nach einer Untersuchung der Ratingagentur Scope im März 2023 aufgelegt („Rüstungsfonds im Aufwind“). Im September 2025 wurden in der Studie bereits 20 Fonds mit einer Marktkapitalisierung von 13,3 Mrd. Euro aufgelistet. Bis Anfang Dezember ist dieser Wert auf mindestens 15,7 Mrd. Euro gestiegen – ein Plus von 18% innerhalb von nur drei Monaten. Dazu kommen neue Fonds wie der Mitte November aufgelegte „Deka Europe Defense Ucits ETF“ und der Ende Oktober lancierte „Ark Space&Defence Innovation Ucits ETF“. Sie weisen immerhin auch schon ein Fondsvermögen von 189 bzw. 1,6 Mill. Euro auf.
Indexfonds stark verbreitet
Die beiden letztgenannten Fonds sind symptomatisch. Denn die meisten bisher aufgelegten Rüstungs- bzw. Verteidigungsfonds sind börsengehandelte Indexfonds (ETF). Scope listet in ihrer Studie nur fünf aktiv gemanagte Fonds auf. Der mit Abstand größte ist der „Deka-Security and Defense“ mit einem Fondsvermögen von inzwischen rund 500 Mill. Euro. Er bildet den Solactive Europe Defense Index physisch nach. Es handelt sich um einen Artikel-6-Fonds, der explizit keine Nachhaltigkeitsmerkmale berücksichtigt.
Ob überhaupt Investitionen in Verteidigung bzw. Rüstung für nachhaltige Fonds, also nach Artikel 8 oder Artikel 9 nach der Offenlegungsverordnung (SFDR), infrage kommen, ist umstritten. Dabei kommt es auf die Definition von Nachhaltigkeit an. Danach kann Rüstung als sozial relevantes Thema interpretiert werden, da sie für Sicherheit sorgt. Gerade Art. 8 SFDR ist offen für Interpretation, findet Scope-Analyst Laszlo Harsanyi.
Ein Artikel-8-Fonds kann also in Rüstung investieren. Das gilt sogar für einen reinen Rüstungsfonds wie den Future of European Defence Screened Ucits ETF. Artikel-9-Fonds müssen zwar ein nachhaltiges, mit der EU-Taxonomie kompatibles Anlageziel verfolgen. „Doch sie müssen keine vollständig taxonomiekonforme Portfoliostruktur aufweisen. Daher können sie auch Investitionen in nicht-taxonomiekonforme Sektoren – einschließlich konventioneller Rüstung – halten, sofern diese Anlagen das nachhaltige Anlageziel nicht wesentlich beeinträchtigen“, sagt Harsanyi.
Nachhaltigkeit kann aber auch enger definiert werden. Wendet man das Do-no-significant-harm-Prinzip der EU-Taxonomie an, dann kann Rüstung nicht Teil eines nachhaltigen Portfolios sein. Auch viele ESG-Ratings sind restriktiv gegenüber Rüstung und verbieten Investments in die entsprechenden Unternehmen, heißt es bei Scope.
Allianz Global Investors schließt nach eigenen Angaben bereits seit langem gemäß einschlägiger internationaler Konventionen für sämtliche Publikumsfonds Investments in kontroverse Waffen aus. Dazu gehören Antipersonenminen, Streumunition, biologische und chemische Waffen sowie Nuklearwaffen außerhalb des Atomwaffensperrvertrags. Artikel-6-Fonds unterliegen darüber hinaus keiner weiteren Einschränkung. Ob in diesem Bereich investiert werde, hänge von der spezifischen Fondsstrategie ab.
Zwei Ausschlüsse entfallen
Für die meisten Artikel-8-Fonds hat AllianzGI im Frühjahr dieses Jahres in zwei Punkten ihre Ausschlusskriterien für Waffen/Rüstung verändert. Diese Änderungen hält AllianzGI für „gesellschaftlich notwendig“. In einem Kundenschreiben vom 27. März 2025 heißt es: „AllianzGI hält einen robusten und gut funktionierenden Verteidigungssektor für notwendig, um die wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu unterstützen.“ Allerdings hält AllianzGI Aktivitäten im Verteidigungsbereich nicht für „nachhaltig“ im Sinne der EU-Offenlegungsverordnung SFDR, da sie nicht direkt zu ökologischen oder sozialen Zielen beitragen.
In dem Kundenschreiben kündigt AllianzGI an, für die meisten ihrer Artikel 8-Investmentfonds unter SFDR die Ausschlüsse von zwei Punkten aufzuheben: Für militärische Ausrüstung und Dienstleistungen, da Rüstungsgüter und -dienstleistungen integrale Bestandteile eines gut funktionierenden Verteidigungssektors seien. Und für Kernwaffen im Rahmen des Atomwaffensperrvertrags (NPT). Zur Begründung heißt es, diese Waffen hätten „eine entscheidende abschreckende Wirkung bei größeren Konflikten“. Außerdem böten die im Rahmen des NPT geregelten Aktivitäten wichtige Sicherheitsvorkehrungen. AllianzGI will mit diesen beiden Einschlüssen nach eigenen Worten erreichen, dass viele große westliche Verteidigungsunternehmen durch den Einschluss in Artikel-8-Fonds auch privaten Anlegern zugänglich werden.
AllianzGI bietet aber keine speziellen Verteidigungs- oder Rüstungsfonds an. Das breite Thema „Sicherheit“ – es schließt äußere Sicherheit und damit Verteidigung ein – spiele aber in verschiedenen Strategien eine besondere Rolle. So etwa beim Fonds „Allianz Cyber Security“ und beim „Allianz European Autonomy“.
Bei der genossenschaftlichen Union Investment sind in allen Publikumsfonds Investitionen in Unternehmen ausgeschlossen, die eine Beteiligung an geächteten Waffen (z.B. biologische Waffen oder Chemiewaffen, Landminen, Streubomben) sowie eine direkte Beteiligung an Atomwaffen und -systemen aufweisen. „Die Herstellung dieser Waffengattungen ist mit den Grundsätzen von Union Investment nicht vereinbar. Daher investieren wir nicht in diese Unternehmen.“ Kunden von Union Investment könnten beim Thema Rüstungsinvestitionen wählen. Konventionelle Fonds (ohne explizite Nachhaltigkeitsstrategie) können in Rüstungsfirmen investieren, sofern die Anlage zum Produktkonzept passt und das Chance-Risiko-Profil eines Titels als attraktiv eingeschätzt wird.
Rüstung bleibt draußen
Dagegen investieren Union-Fonds mit Nachhaltigkeitsstrategie explizit nicht in Rüstung. „Denn in unseren Publikumsfonds mit UniESG-Nachhaltigkeitsfilter sind Aktien und Anleihen von Unternehmen mit einem wesentlichen Umsatzanteil in Rüstungsgütern ausgeschlossen.“ Die Genossen wollen bei nachhaltigen Investitionen „wesentliche negative Auswirkungen“ vermeiden. „Das ist bei Waffen unserer Meinung nach kaum möglich. Waffen sind für uns daher zwar in vielen Fällen notwendig, aber sie sind nicht nachhaltig.“ Aktuell plant Union Investment keine Anpassung der rüstungsbezogenen Ausschlüsse für ihre Fonds mit UniESG-Nachhaltigkeitsfilter.
Laut Union Investment sind mehr als 60 Publikumsfonds mit über 3 Mrd. Euro in Rüstungsfirmen (Umsatzanteil größer 5%) investiert. Dies entspricht 0,6% der Assets under Management. Keiner dieser Fonds verfolgt eine Nachhaltigkeitsstrategie oder ist als Art. 8 oder 9 klassifiziert.
Die DWS unterscheidet bei ihren in Europa ansässigen, aktiv verwalteten Artikel 8-Fonds zwischen solchen, die den „DWS Basic Exclusions“-Filter anwenden, und solchen, die ESG oder vergleichbare Begriffe im Namen führen und den „DWS ESG Investment Standard“-Filter anwenden. Fonds, die den „DWS ESG Investment Standard“-Filter anwenden und das Kürzel ESG oder nachhaltigkeitsbezogene Begriffe im Namen führen, fallen unter die „ESMA-Leitlinien zu Fondsnamen, die ESG oder nachhaltigkeitsbezogene Begriffe verwenden“. Bei diesen Fonds investiert die DWS nach eigenen Angaben nicht in Unternehmen, die mehr als 5% des Umsatzes mit der Herstellung von Produkten und/oder der Erbringung von Dienstleistungen in der Rüstungsindustrie generieren oder an der Produktion von Nuklearwaffen sowie Munition aus abgereichertem Uran beteiligt sind.
Bei Fonds, die den „DWS Basic Exclusions“-Filter anwenden und nicht das Kürzel ESG oder nachhaltigkeitsbezogene Begriffe im Namen haben, haben sich die Filterkriterien im Einklang mit der Anpassung des ESG-Zielmarktkonzeptes in Deutschland geändert. Dadurch wurden Investitionen in Rüstungswerte möglich, heißt es bei der DWS.
