Schwarz-rote Blackbox
Neue Regierung
Schwarz-rote Blackbox
Von Vertrauensvorschuss keine Spur: Die Regierung Merz hat schon beim Amtsantritt ihre Mehrheit in den Sonntagsfragen wieder verloren.
Von Andreas Heitker
Es ist geschafft: Das Personal für die neue Regierung steht fest. Der Koalitionsvertrag ist unterschrieben. Jetzt folgt nur noch die Wahl des neuen Bundeskanzlers und die Vereidigung der Minister. Dann hat Deutschland am Dienstagnachmittag – auf den Tag genau ein halbes Jahr nach dem Bruch der Ampel-Koalition – wieder eine funktions- und handlungsfähige Regierung. Diese startet allerdings mit einem ziemlichen Makel: Schon zum Amtsantritt hat das schwarz-rote Bündnis seine Mehrheit in vielen der Sonntagsfragen wieder verloren. Ob dies an der radikalen Schuldenbremsen-Wende von CDU-Chef Friedrich Merz nach der Wahl liegt, an einer grundlegenden Skepsis gegenüber einer erneuten „GroKo“ oder dem fehlenden Reformeifer im Koalitionsvertrag ist erst einmal unerheblich. Einen Vertrauensvorschuss erhält diese Regierung auf jeden Fall nicht – trotz des großen Ampel-Frustes im vergangenen Jahr.
Nur Pistorius darf aus Ampel-Zeiten noch im Kabinett weitermachen
Beim Führungspersonal tut die neue Koalition alles, um einen Neuanfang möglichst glaubhaft zu machen. Auch die SPD präsentiert viele frische Gesichter für das Kabinett. Nur Verteidigungsminister Boris Pistorius – der noch immer beliebteste Politiker und wohl bessere Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten – darf als Verteidigungsminister weitermachen. Gleich drei Männer und Frauen mit einem Unternehmensbackground werden künftig am Kabinettstisch Platz nehmen, womit sich die Regierung Merz ebenfalls von der Ampel abgrenzen will: Verena Hubertz (SPD) soll die Wohnungs- und Bauwirtschaft wieder flott machen. Katherina Reiche (CDU) die Energiewende effizienter gestalten und für mehr Wachstum sorgen. Und der Media Markt/Saturn-Chef Karsten Wildberger soll im Auftrag der CDU für Digitalisierung und Staatsmodernisierung sorgen.
Der im Berliner Politbetrieb völlig unerfahrene Wildberger erhält ein Schlüsselministerium in der neuen Regierung, das er erst einmal selbst aufbauen muss. Ob dies gelingen kann, ist völlig offen. Fachliche Expertise schlägt ja nicht in jedem Fall Erfahrung im Führen einer großen Verwaltung. Merz geht mit dieser Personalie ins Risiko.
Erste Bewährungsprobe: die Aufstellung der Haushalte 2025 und 2026
Auch in anderen Bereichen ist die neue Koalition noch eine Blackbox. Beispiel Finanzpolitik: Als erste große Bewährungsprobe für Schwarz-Rot gilt die Verabschiedung eines Bundeshaushaltes für 2025 und die Aufstellung eines Etats für 2026 im Sommer. Die Koalition ist zwar durch das neue Sondervermögen für Infrastruktur und die weitgehende Aussetzung der Schuldenbremse in der Verteidigungspolitik in der komfortablen Situation, nicht mehr um die notwendigen Milliardeninvestitionen in diesen Bereichen wie noch zu Ampel-Zeiten hart ringen zu müssen. Dies ändert aber nichts am sonstigen Konsolidierungsbedarf. Und ob Brüssel der zusätzlichen Verschuldung für Investitionen so ohne Weiteres zustimmt, ist ja auch noch offen.
Es wird sich zeigen, ob der neue, in Haushaltsfragen bislang unerfahrene Finanzminister, SPD-Chef Lars Klingbeil – eine weitere Schlüsselfigur im Kabinett – die Führungsstärke aufbringen kann, Union und SPD hier zusammenzuhalten. Beide Seiten haben zwar beschworen, auf öffentlichen koalitionsinternen Streit wie zu Zeiten von Rot-Gelb-Grün künftig zu verzichten. Die unterschiedlichen Interpretationen und Debatten zu den Mindestlohn-Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag zeigen aber, wie schnell dieses Versprechen auch wieder kippen kann.
Die „Arbeitskoalition“ entfacht keine Euphorie
Friedrich Merz ist nicht zu beneiden. Er weiß selbst und hat dies in den vergangenen Tagen auch mehrfach betont, dass der Start der von ihm geführten Bundesregierung keine Euphorie erzeugt – weder in der Wirtschaft, noch in der breiten Bevölkerung. Trotzdem sind die Erwartungen an ihn und seine „Arbeitskoalition“ national wie auf europäischer Ebene hoch. Die geopolitischen Krisen und das Wirken von US-Präsident Donald Trump erfordern klare Positionierungen von Berlin und Brüssel. Zugleich gilt es im Inland, neues Vertrauen in die Politik und die demokratischen Institutionen zu schaffen. Ansonsten könnte die Quittung für die Koalition und die übrigen Parteien der Mitte schon bei den fünf Landtagswahlen, die 2026 anstehen, deftig ausfallen.