Siemens Energy im Blindflug
WindkraftgeschÀft
Siemens Energy
im Blindflug
Von Michael FlÀmig
Wenn Unternehmen von âProblemenâ reden, dann brennt die HĂŒtte. Denn die Wirtschaftswelt ist darauf trainiert, jedwede Krise als âHerausforderungâ zu bezeichnen. Dass Siemens Energy nun also âHochlaufprobleme bei Siemens Gamesaâ diagnostizierte, fĂŒhrt vor Augen: Die Lage bei der Windkraft-Sparte ist wirklich katastrophal.
Allerdings kann jeder Energy-AktionĂ€r auch ohne diese semantische Wahrhaftigkeit erkennen, wie schlecht die Lage ist. DafĂŒr genĂŒgt ein Blick in den Quartalsbericht. Wer einen Jahresverlust von 4,5 Mrd. Euro prognostiziert, der hat wirklich ein Problem. Zwar war schon im Juni klar, dass mangelnde ProduktqualitĂ€t im GeschĂ€ft mit landgestĂŒtzten Windkraftanlagen und falsche Kalkulationen im WindgeschĂ€ft auf See zu Milliarden-Sonderkosten fĂŒhren. Aber nun fallen sie noch deutlich höher aus als anfangs gedacht.
HĂ€ufig folgen derartige FehlschlĂ€ge von Aktiengesellschaften einem einfachen Muster. Erst kommt die Krise: Die operativen Probleme werden öffentlich, der Aktienkurs geht in den Keller. AnschlieĂend hĂ€mmern Arbeitsgruppen intern eine Lösung zusammen, die dann â mit einer Kostenzahl versehen â dem Kapitalmarkt verkauft wird. In der Folge eines derartigen Befreiungsschlags fassen die Investoren Zuversicht, dass das Problem in den Griff zu kriegen ist, und die Unternehmensbewertung steigt.
Siemens Energy ist leider nur der erste Teil der Ăbung par excellence gelungen. Der Kurssturz um 37% im Juni war eindrucksvoll. Der Befreiungsschlag gestern dagegen hat nicht geklappt. Der Aktienmarkt wĂ€re zwar durchaus bereit gewesen, die anhaltend niedrige Bewertung etwas in die Höhe zu treiben. Doch die Euphorie zu Handelsbeginn verwandelte sich bald in ErnĂŒchterung.
Anfangs schien der hohe Betrag der Sonderbelastung zu signalisieren: Die Sache ist vom Tisch. WÀhrend der Konferenzen erst mit Journalisten und dann mit Analysten dÀmmerte dem Kapitalmarkt jedoch: Dies ist mitnichten der Fall. Die QualitÀtsprobleme sind technisch noch nicht richtig verstanden, die Sonderkosten lediglich WahrscheinlichkeitsschÀtzungen auf der Basis von viel zu wenig Daten. Nicht einmal alle Schadenursachen sind identifiziert. Zudem bleibt der Cash-Abfluss ein steter Begleiter. In der Folge sank der Kurs um 6%.
Mit dem Management sind auch die Anleger weiterhin im Blindflug. Die Sonderkosten mögen gut geschĂ€tzt sein. Oder sie sind es halt nicht. Erst wenn die Belastungen mit Sicherheit bezifferbar sind, wird die Aktienbörse wieder Vertrauen fassen. Es heiĂt also: warten auf den Kapitalmarkttag im November.