Im BlickfeldDevisenbeschaffung

So will Milei Argentiniens Schwarzgeld reinwaschen

Das Land braucht dringend Dollar für den Schuldendienst. Das neue Vorhaben der Regierung zur Devisenbeschaffung könnte jedoch nach hinten losgehen.

So will Milei Argentiniens Schwarzgeld reinwaschen

So will Argentiniens Präsident Milei Schwarzgeld reinwaschen

Das Land braucht dringend Dollar für den Schuldendienst. Das neue Vorhaben der Regierung zur Devisenbeschaffung könnte jedoch nach hinten losgehen.

Von Andreas Fink, Buenos Aires

Javier Milei hat in den anderthalb Jahren an der Macht seinen Staat auf den Kopf gestellt. Er ließ den Haushalt radikal zusammenstreichen, neun Ministerien schließen, Tausende Vorschriften abschaffen. Im ersten Regierungsjahr sanken die öffentlichen Ausgaben um fast 30%. Aber ein chronisches Leiden konnte auch Mileis berühmte Kettensäge nicht beseitigen: Dem Staat fehlen Dollar.

Argentinien braucht dringend US-Devisen, um Schulden bei privaten und institutionellen Gläubigern zu bedienen. Mitte April gewährte der Internationale Währungsfonds seinem größten Schuldner den 23. Kredit. Mit den frischen 20 Mrd. Dollar soll die Regierung vor allem sicherstellen, dass die Zinsen für das 40-Mrd.-Dollar-Darlehen von 2018 bezahlt werden können. Das neue IWF-Geld darf nicht für den täglichen Umlauf ausgegeben werden, etwa für die Bezahlung von Importen. Auch der Peso soll damit nicht gestützt werden.

Notenpresse steht still

Aber genau dafür brauchen Milei und sein Finanzminister Luis Caputo Devisen. Vor den Parlamentswahlen im Oktober wollen sie unbedingt die Inflation zähmen, die liegt noch bei 45% im Jahresvergleich. Um das zu erreichen, sollen eingeführte Güter die Industrie zwingen, günstiger zu produzieren. Aber Importe kann das Land nicht mit Pesos bezahlen. Zudem braucht die Wirtschaft frisches Geld, um, wie vom IWF vorausgesagt, 2025 um 5% zu wachsen. Aber Milei hat seit einem Jahr die Notenpresse angehalten. Er will keine Pesos mehr drucken, die womöglich in Dollar gewechselt und außerhalb des Finanzsystems deponiert werden. Seit 70 Jahren rettet Argentiniens Mittel- und Oberschicht so ihre Habe vor der Inflation.

Die Folge ist, dass die Argentinier nun das besitzen, was dem Staat abgeht: enorme Dollar-Reserven. Auf etwa 400 Mrd. Dollar schätzt sie das Statistikamt Indec, das entspricht etwa dem zwölffachen Wert aller Pesos im Umlauf. Diese seien etwa 32 Mrd. Dollar wert, so die Unternehmensberatung 1816 in einer aktuellen Studie. Etwa 193 Mrd. Dollar werden in bar gehortet, in Schließfächern und Matratzen. Der Rest ist angelegt in den Dunkelzonen des weltweiten Finanzsystems, etwa in Panama, auf den Caymaninseln oder auf den Komoren.

Milei beschimpft Finanzbehörden

Würden die Bürger auch nur einen Teil dieser Ersparnisse auf ihre regulären Konten einzahlen, dann könnten die Banken damit arbeiten. Bislang entspricht die gesamte Summe an vergebenen Krediten lediglich 4% des Bruttoinlandsprodukts. Könnte die Wirtschaft „remonetisiert“ werden, so Finanzminister Caputo, dann könnten kleine und mittelgroße Firmen wieder investieren.

Und endlich könnten wieder Wohnbaukredite aufgelegt werden, die es auch seit dem Staatsbankrott 2001 kaum mehr gab. Nach 15 Jahren Stagnation könnte der Wachstumsmotor endlich wieder hochfahren.

Javier Milei erklärte Anfang der Woche, er wolle den Bürgern „ihr Geld zurückgeben, das sie bisher nicht verwenden konnten, weil politische Kriminelle sie bis unter die Bettdecke verfolgten“. Als Verbrecher bezeichnet der Präsident wohlgemerkt die Finanzbehörden seines Landes. Schon voriges Jahr hatte Finanzminister Caputo eine Steueramnestie erlassen, die es ermöglichte, bis zu 100.000 schwarze Dollar zu legalisieren, ohne vom Staat zur Kasse gebeten oder wegen Hinterziehung bestraft zu werden. Auf höhere Summen mussten Steuern bezahlt werden – zwischen 5 und 15%.

Im Visier der Wächter

Der Präsident hat nun behauptet, er wolle künftig auf diese Abgaben verzichten. Ihm sei überdies die Herkunft der neu aufgetauchten Devisen vollkommen egal. Milei forderte, dass die Banken nicht mehr nach deren Ursprung fragen sollen. Der dürfte indes fast immer illegal sein. Denn aufgrund der bis April geltenden Währungskontrollen gab es jahrelang kaum legale Möglichkeiten, an die Reservewährung zu kommen. So ist ein Teil des Fluchtvermögens sicher schwarz gefärbtes Weißgeld, wie Milei argumentiert. Aber großteils wohl klassisches Schwarzgeld – also nicht deklarierte Einnahmen und Schmiergelder. Und dann sind da noch die Dollar aus dem Handel mit Drogen, Waffen oder Menschen. Vor allem diese Gelder wird Milei nicht einfach übersehen können. Die internationale Financial Action Task Force (FATF), die gegründet wurde, um zu verhindern, dass schmutzige Gelder international gewaschen werden, hat Argentinien seit Jahren unter Beobachtung. Experten warnen: Sollte die FATF sein Land in die „Grauzone“ einreihen, drohen Caputo Probleme, wenn er auf den Finanzmärkten wieder neue Kredite aufnimmt.

„Die Leute holen ihre Dollar nicht ans Licht, weil sie Angst haben“, erklärte der Minister mit Verweis auf die Praktiken seiner Vorgänger. Seit den Regierungen der Kirchners (2003–2015) haben die Finanzämter die Normalbürger permanent verfolgt. Kreditkartenfirmen mussten die Umsätze ihrer Kunden melden, Banken Kontostände ab 800 Euro, sämtliche Barabhebungen wurden dokumentiert, ebenso Überweisungen ab 800 Euro. Krankenkassen und Privatschulen mussten ihre Beitragszahler ebenso melden wie Online-Händler oder elektronische Wallets. Wenn Milei und Caputo wollen, dass Banken und Schwarzgeldbesitzer ihren Lockrufen folgen, werden sie mehrere Gesetze ändern müssen.

Denn niemand will riskieren, nach einem möglichen Regierungswechsel wegen Geldwäsche angezeigt zu werden. Aber Mehrheiten dafür wird die Regierung vor den Wahlen im Oktober kaum bekommen. Darum hat Caputo einige Sofortmaßnahmen präsentiert, die Milei per Dekret erließ. Die Dauerüberwachung von Normalbürgern soll ab. 1. Juni enden, die Meldegrenzen für Bankgeschäfte wurden deutlich angehoben, ebenso jene für elektronische Wallets. Der Staat will großzügig wegsehen, damit zumindest Normalbürger ihre Dollar in Umlauf bringen. Aber größere Vermögen werden weiter kontrolliert. Einen Konflikt mit der FATF will Argentinien offenbar nicht riskieren.

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