Börsengänge via Spac

Spac – Turbo-Antrieb für deutsche Start-ups

Deutschland ist ein Land der Aktienskeptiker und immer dann, wenn diese schwierige Beziehung scheinbar Fahrt aufnahm, etwa mit der „Volksaktie“ Telekom, kam es auch zu Enttäuschungen. Umso mehr muss es verwundern, dass es derzeit „mitten in der...

Spac – Turbo-Antrieb für deutsche Start-ups

Deutschland ist ein Land der Aktienskeptiker und immer dann, wenn diese schwierige Beziehung scheinbar Fahrt aufnahm, etwa mit der „Volksaktie“ Telekom, kam es auch zu Enttäuschungen. Umso mehr muss es verwundern, dass es derzeit „mitten in der Pandemie“ Platz für Börsengänge „leerer“ Mantelgesellschaften, sogenannter Special Purpose Acquisition Companies oder Spacs, gibt. Zwei dieser Spacs befinden sich gerade auf der Zielgeraden ans Frankfurter Parkett. Beide haben Venture-Capital-Investitionen im Sinn und hinter beiden stehen bekannte Namen: Lakestar mit dem Investor Klaus Hommels und Rocket Internet mit den Samwer-Brüdern. Dabei handelt es sich um einen Trend, der aus den USA zu uns herüberschwappt und dort – unter verschiedenen Labeln – seit den 1980er Jahren Höhen und Tiefen erlebt hat. Umso überraschender, dass im letzten Jahr allein in den USA 250 solcher leeren Börsenmäntel erfolgreich gelistet wurden.

Doch wer investiert in Spacs? Sind es Börsenzocker, Verzweifelte, die im Zeitalter von Negativzinsen keine andere Möglichkeit sehen, oder steht dahinter ein kluges Kalkül? Zunächst muss man sich vor Augen führen, dass Spacs ein sehr demokratisches Element enthalten, denn sie ermöglichen auch Kleinanlegern, sich an Private-Equity- und Venture-Capital-Strategien zu beteiligen. Dies ist sonst institutionellen Anlegern ab einer – für die meisten Kleinaktionäre unerreichbaren – Mindestanlageschwelle möglich. Wie immer gibt es natürlich auch Mahner und Warner. Doch die Wirecard-Aktionäre wissen: Auch ein Dax-Unternehmen kann ein potemkinsches Dorf sein.

Letztendlich ist die Entscheidung für ein Spac eine Entscheidung für eine Investmentstrategie, für Persönlichkeiten und Track Records. Und genau darauf setzen institutionelle Investoren, wenn sie etwa bei Private Equity Funds einsteigen. Man muss eben das Vertrauen haben, dass die Spac ein attraktives Ziel findet und erwirbt. Dabei hilft es, wenn diese sich auf zukunftsorientierte Themen fokussieren, was eine echte Chance für die deutsche Start-up-Finanzierung sein könnte. Nicht zuletzt wegen der schnellen Liquidität der Vermögensanlage.

Wie lässt sich nun der Spac-Boom und die damit verbundenen Möglichkeiten für Investoren in Deutschland umsetzen? In den USA hat die Börsenaufsichtsbehörde SEC bereits 1933 die Rule 17 CFR § 230.419 (US-Rule 419) erlassen, die Spacs eine bestimmte, anlegerschützende Struktur verordnet. So müssen die Erlöse des IPO bis zur Acquisition zum überwiegenden Teil auf Treuhandkonten verbleiben. Den Anlegern muss ein Ausstieg zwischen den Zeitpunkten des Investments und der Übernahme des Zielunternehmens möglich sein (Opt-out) und der Spac bleiben ab dem IPO maximal 18 Monate Zeit, um ihr Investment zu vollziehen. Vergleichbare Regelungen bestehen in Deutschland bislang nicht.

Aus Vermarktungsgesichtspunkten aber auch aus Gründen des Anlegerschutzes scheint es sinnvoll zu sein, vergleichbare Mechanismen auch auf Spacs hierzulande zu übertragen. Dies ist im Rahmen der Dokumentation problemlos möglich. Existiert der Emittent nicht seit mindestens drei Jahren, erfordert die Börsenzulassungs-Verordnung, dass die jeweilige Börse vor Zulassung positiv entscheidet, dass die Emission im Interesse des Emittenten und des Publikums ist. Deutsche Wertpapierbörsen machen ihre Entscheidung bislang vom Anlegerschutzniveau abhängig und orientieren sich dabei an den von der US-Rule 419 vorgezeichneten Mechanismen.

Für den Wertpapierprospekt gilt im Kern nichts anderes als sonst. Insbesondere muss auch beim Spac ein Prospekt alle für den Anleger wesentlichen Informationen enthalten. Bei Spacs bestehen insoweit zwar einige Besonderheiten, die sich aber allesamt gut in den Griff bekommen lassen. Deutsche Aktiengesellschaften scheinen allerdings als Spac aus verschiedenen Gründen wenig geeignet zu sein.

Erstens soll das von der Spac eingesammelte Kapital dem Leitungsorgan der Gesellschaft nicht – wie vom deutschen Aktienrecht vorgesehen – zur freien Verfügung stehen. Es soll vielmehr an einen engen Zweck gebunden zunächst auf einem Treuhandkonto verbleiben. Zweitens soll das eingesammelte Kapital bei Scheitern der Übernahme an die Anleger zurückbezahlt werden. Dieser Anlegerschutzmechanismus steht aber im Widerspruch zu dem vom Aktiengesetz vorgesehenen Gläubigerschutz, der vor Auflösung der Gesellschaft ein Sperrjahr vorsieht. Dem Kern-Zeitraum des fruchtlosen Investments würde sich also ein weiteres renditeloses Jahr anschließen. Drittens würde sich der Zustimmungsvorbehalt der Investoren zu dem vom Management des Spacs verhandelten „Deal“ zur Übernahme des Zielunternehmens nur über rechtliche „Krücken“ konstruieren lassen. Und viertens ließe sich die Ausstiegsmöglichkeit von Investoren mit der für deutsche Aktiengesellschaften bestehenden Kapitalerhaltungsvorschriften nicht in Einklang bringen. Kurzum: Die für Spacs erforderlichen Anlegerschutzmechanismen lassen sich für eine deutsche Aktiengesellschaft nur schwer, vermutlich gar nicht umsetzen. Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, als Spac eine ausländische Aktiengesellschaft zu nutzen, die auch problemlos an deutschen Börsen zum Handel zugelassen werden kann. Entsprechend wurden auch für die eingangs genannten Spacs ausländische Gesellschaften gewählt.

Spacs könnten deutschen Start-ups die Möglichkeit eines schnellen Kapitalzugangs verschaffen und damit den Zukunfts- und Innovationsstandort Deutschland weiter stärken. Das ist gut und – wenn auch mit einigen Hürden – schaffbar.

Prof. Dr. Christoph Schalast ist Managing Partner bei Schalast Law – Tax und lehrt an der Frankfurt School of Finance & Management.

Prof. Dr. Andreas Walter, LL.M. ist Rechtsanwalt und als Partner Leiter der Practice Group Banking bei Schalast Law – Tax und lehrt an der IUBH und der Frankfurt School of Finance & Management.

In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.