Im BlickfeldGeplatzte Übernahme

Spaniens Banken wünschen neue Regeln für Übernahmen

Spaniens Bankbranche zieht die Lehren aus dem gescheiterten Übernahmeangebot von BBVA für Sabadell und verlangt Verbesserung der Rahmenbedingunge.

Spaniens Banken wünschen neue Regeln für Übernahmen

Spaniens Suche nach neuen Regeln für Konsolidierung

Bankbranche zieht die Lehren aus dem gescheiterten Übernahmegebot von BBVA für Sabadell und verlangt Verbesserung der Rahmenbedingungen für Übernahmen. Einfluss der Politik steht unter der Lupe.

Von Thilo Schäfer, Madrid

Der Palau Sant Jordi ist Barcelonas größte Veranstaltungshalle. Demnächst treten dort Musiker wie Jamiroquai, André Rieu oder Katy Perry auf. Am 15. November steht ein ungewöhnliches, privates Event an. Der langjährige Vorsitzende von Banco Sabadell Josep Oliu und sein CEO César González-Bueno haben 13.000 Mitarbeiter eingeladen, um den Sieg in der langen, zermürbenden Abwehrschlacht gegen den feindlichen Übernahmeversuch durch den großen Mitbewerber BBVA zu feiern. Mitte Oktober war die Großbank überraschend deutlich gescheitert, als lediglich 25% des Kapitals von Sabadell das unerwünschte Angebot annahm.

An der Börse sind die Schäden der Operation, die sich über fast 18 Monate hinzog, bereits verflogen. BBVA erreichte vor Tagen erstmals eine Marktkapitalisierung von 100 Mrd. Euro und schloss damit zur italienischen Unicredit als Nummer Zwei in Europa auf, hinter dem spanischen Branchenführer Santander. Die Anleger waren offenbar darüber erleichtert, dass BBVA in der Offerte nicht noch nachlegen musste, um eine Kontrollmehrheit zu erreichen. Auch Sabadell hat nach anfänglichen Verlusten seinen Kurs von vor dem Ende Übernahmeprozess wiedererlangt, was die viel beschworene These widerlegt, dass die Aktie hauptsächlich vom Kaufangebot gestützt worden war.

Doch hinterlässt die gescheiterte Übernahme viele Fragen bezüglich der Regulierung und dem Einfluss der Politik. Außerdem wird über die Aussichten auf einen neuen Versuch zur Bankenkonsolidierung spekuliert. Die Ratingagentur S&P hält neue Operationen in Spanien für „wahrscheinlich“, wie sie am Dienstag ausdrückte. „Italien und Spanien scheinen in einem guten Moment für neue Fusionen zu sein“, schrieben die Experten. Doch wer käme dafür infrage? Die Vorstände von Santander und Caixabank, den beiden größten Banken auf dem spanischen Markt, erklärten auf den Bilanzpressekonferenzen letzte Woche, dass man kein Interesse an Zukäufen daheim habe. Das behauptet auch BBVA, trotz der verfehlten Übernahme von Sabadell, der Nummer Vier im Lande. „Wir haben eine ausreichende Größe, um in Spanien erfolgreich zu sein“, versicherte der CEO von BBVA, Onur Genç.

Neue Spekulationen

Die Blicke der Analysten richten sich daher auf Sabadell, die im Zuge der Abwehrschlacht ihre britische Tochter TSB an Santander verkaufte. Es wird über einen Zusammenschluss mit Unicaja spekuliert, der kleinsten der Banken im Schwergewichtsindex Ibex 35. Dort halten die Stiftungen der früheren Sparkassen, aus denen Unicaja hervorgegangen ist, 36% des Kapitals. Bei der nicht börsennotierten Abanca hat der venezolanische Unternehmer Juan Carlos Escotet die Kontrolle. Kutxabank, Ibercaja und Cajamar sind ebenfalls ehemalige Sparkassen, beziehungsweise Genossenschaftsbanken.

Eine feindliche Übernahme, wie sie BBVA bei Sabadell versuchte, scheint in diesen Fällen ausgeschlossen. Der CEO von Caixabank, Gonzalo Gortázar, bezog sich auf das Scheitern von BBVA bei Sabadell sowie Unicredit bei BPM in Italien. „Die unerwünschten Angebote haben nicht funktioniert. Es sollte jedem, der darüber nachdenkt, klar sein, dass dies nicht zum Erfolg führt, aber jede Operation ist anders“, sagte Gortázar.

Einer der Gründe für den Misserfolg von BBVA, wenn auch nicht der einzige, war die politische Dimension des Übernahmeversuchs. In Katalonien, wo Sabadell eine Institution ist, regte sich sofort Widerstand bei Unternehmern und Gewerkschaften und über die Parteigrenzen hinweg. Auch die spanische Regierung äußerte von Anfang an ihre Bedenken aufgrund möglicher Wettbewerbsprobleme. „In Spanien und Italien sind die Politiker nicht aus Prinzip gegen eine Konsolidierung, aber sie haben große Zweifel daran, dass der Markt von zwei oder drei Megagroßen dominiert wird“, meint S&P.

Prozess zu lang

In Spanien wird nach der medienwirksamen Übernahmeschlacht über Änderungen der Gesetzgebung für solche Operationen nachgedacht. Denn sowohl die beteiligten Vorstände von BBVA und Sabadell, als auch die der Konkurrenz beklagten, dass der Prozess zu lange und zu zerfahren war, was Käufer aus dem Aus- und Inland abschrecken könnte. „Wir müssen den Rahmen, in dem wir uns bewegen, überdenken“, kommentierte auch der Gouverneur der spanischen Notenbank, José Luis Escrivá. In der Kritik steht die spanische Wettbewerbsaufsicht CNMC, die elf Monate brauchte, um über die Operation zu befinden. „Wir haben im Laufe dieses Prozesses gesehen, dass es gewisse Regeln gibt, die nicht ausreichend klar und daher Interpretationen und Zweideutigkeiten ausgeliefert sind“, kritisierte der Vorsitzende von BBVA, Carlos Torres.

Zweideutig

Eine dieser Zweideutigkeiten spielte eine Rolle beim Ausgang. Hätte BBVA mehr als 30%, aber weniger als 50% des Kapitals bekommen, so hätte die Bank für die ausstehenden Aktien ein neues Angebot abgeben müssen. Die Börsenaufsicht CNMV hätte dafür einen „gerechten Preis“ festlegen müssen. Doch nach welchen Kriterien dieser „precio equitativo“ ermittelt worden wäre, war allen Beteiligten unklar. Das soll nun besser definiert werden.

Ein Nachspiel hat auch die Einmischung der spanischen Linksregierung. Wirtschaftsminister Carlos Cuerpo hatte harte Auflagen diktiert, wonach BBVA im Erfolgsfall Sabadell für drei bis fünf Jahre als eigenständiges Institut hätte weiterführen müssen. Die Bank von Torres klagte dagegen vor dem Obersten Gerichtshof Spaniens. Bislang hat man die Klage nicht zurückgezogen. Schließlich hat die Europäische Kommission ein Verfahren gegen Spanien eingeleitet, wegen der Einmischung der Politik in einen privatwirtschaftlichen Prozess. Cuerpo antwortete letzte Woche mit dem Versprechen, den Aufsichtsbehörden mehr Kompetenzen einzuräumen, ohne jedoch auf das Vetorecht bei Fusionen zu verzichten.

Aktienrückkäufe

Während die Bankbranche jetzt darauf wartet, dass die gesetzlichen Bedingungen für M&A verbessert werden, halten die Vorstände der Geldinstitute grenzübergreifende Operationen, wie sie die Europäische Kommission gerne sähe, für unattraktiv, solange die Kapitalmarktunion nicht vollzogen ist.

Spaniens Banken, die derzeit vor Ertragskraft strotzen, geben ihr Überschusskapital mangels Chancen für Zukäufe an die Aktionäre zurück. Santander, Caixabank oder Sabadell haben massiv eigene Aktien aufgekauft. Die Bank von Torres sitzt auf 5 Mrd. Euro, die sie in Rückkäufe stecken möchte. Das könnte die Aktionäre von BBVA darüber hinwegtrösten, dass sie bei der Feier im Palau Sant Jordi nicht eingeladen sind.