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Rennen um Stromnetz im Ländle auf der Zielgeraden

Der Bieterwettbewerb um die 24,95-prozentige Beteiligung an dem Stromnetz-Energieversorger EnBW nähert sich dem Ende.

Rennen um Stromnetz im Ländle auf der Zielgeraden

Der Wettlauf um die 24,95-prozentige Beteiligung an dem Stromnetz-Energieversorger EnBW mit Hauptsitz in Karlsruhe geht auf die Zielgerade. In dem von Morgan Stanley moderierten Bieterwettbewerb um das knappe Viertel an dem Übertragungsnetzbetreiber Transnet BW sind dem Vernehmen nach noch ein Konsortium unter Führung der SV Sparkassen-Versicherung (SV), die KfW sowie wahrscheinlich der dänische Finanzinvestor Copenhagen im Rennen. Nicht auszuschließen ist, dass sich auch Fondsinvestoren unter den Bietern befinden. Wie zu hören ist, ist die Zahl der Bieter jedenfalls auf eine Shortlist zusammengeschrumpft. Offenbar soll der Zuschlag für die ausgeschriebene Tranche an dem Übertragungsnetzbetreiber Transnet BW Ende April erfolgen. Die Muttergesellschaft EnBW sagt dazu nichts, will auch den Termin einer Aufsichtsratssitzung in der zweiten April-Hälfte nicht bestätigen.

Hinter der als Konsortialführerin agierenden SV haben sich neben 35 der insgesamt 50 baden-württembergischen Sparkassen die Stuttgarter Lebensversicherung, die Badischen Versicherungen, die Württembergische Gemeindeversicherung sowie das Versorgungswerk der Evangelischen Landeskirche in Württemberg versammelt. Außerdem stellt in dem SV-Konsortium die staatliche L-Bank eine zusätzliche landespolitische Komponente und damit einen Stabilitätsanker dar. Als M&A-Advisor ist die LBBW mit im Spiel. Wie eine mit dem Prozess vertraute Person der Börsen-Zeitung weiter sagte, haben die Konsorten um die SV 850 Mill. Euro Eigenkapital zusammengebracht, womit die Differenz zu der angesetzten Transnet-Bewertung von mindestens 1 Mrd. Euro über Fremdkapital finanziert werden müsste. Zuerst hatte der Newsletter „Finanzszene“ darüber berichtet.

Griff nach Stromautobahnen

Nicht ausgeschlossen wird von Beobachtern, dass die KfW, die sich im Vorfeld eine Option auf den Erwerb einer ersten Tranche von 24,95% an der EnBW-Tochter gesichert hat, ein zweites Mal zum Zug kommt. Bekanntlich hält die KfW bereits 20% auch an dem Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz Transmission (Ex-Vattenfall) mit Sitz in Berlin und führt Gespräche über eine komplette Übernahme des deutschen Stromnetzes der niederländischen Tennet (ehemals Eon). Der Griff nach den Stromautobahnen durch die KfW gilt als Vorstufe zur Etablierung einer „Deutschen Netz AG“ und damit einer Verstaatlichung dieser Energie-Infrastruktur, um für mehr Tempo bei der Energiewende zu sorgen. Privates Kapital ist bisher nur über den Übertragungsnetzbetreiber Amprion, der früheren RWE, gebunden. Über die M31 Beteiligungsgesellschaft halten überwiegend Finanzinvestoren aus der Versicherungswirtschaft, darunter die SV, insgesamt 75% der Anteile. Das Modell mache deutlich, dass das langfristig angelegte Engagement von privaten Investoren erfolgreich entwickelt werden könne, sagen Befürworter. Im Gegensatz dazu müsste bei „aktivistischem Kapital“ etwa von Fondsinvestoren immer mit einem Ende der Laufzeit und einem damit verbundenen Exit gerechnet werden.

Insbesondere die Versicherungsbranche ist wegen ihrer langlaufenden Lebensversicherungsverträge stets auf der Suche nach Engagements in ebenfalls langfristig angelegten Infrastrukturprojekten, die eine verlässliche Rendite abwerfen und sich möglichst an ESG-Kriterien ausrichten. Bei nachhaltigen Beteiligungen an Stromnetzen kommt noch eine implizite Staatsgarantie in Form einer durch die Bundesnetzagentur garantierten Eigenkapitalverzinsung hinzu, die das Modell für Anbieter sehr attraktiv machen kann. Und als „grün“ gelten die Assets, die zur Energiewende beitragen, ohnehin. Für eine Haltedauer der Beteiligung von 25 Jahren an der Transnet BW prognostiziert die SV eine Rendite von 5% pro Jahr. Konkret gehen Ideen der mitbietenden Versicherungen dahin, für die Refinanzierung künftiger Kapitaleinzahlungen an Transnet BW fondsgebundene Lebensversicherungen für die Altersvorsorge zu konstruieren, wobei der Fondsgegenstand die Beteiligung am Stromnetz darstellen würde. Diese Verbindung zu privater Altersvorsorge wird von den Anbietern weitgehend als zukunftsweisend angesehen.

Damit, so das Kalkül, könnte die Bevölkerung in einem Ansatz dezentraler Teilhabe in ihrer Breite partizipieren, was wiederum die Akzeptanz für Stromtrassen, aber auch Windräder und andere Projekte der Energiewende erhöhen würde. Daher geht man bei der SV davon aus, dass der eigene Plan auch im Interesse des Landes und seiner Bevölkerung sein könnte. Als echte Zukunftsperspektive auch für andere Stromnetze sehen die bietenden Parteien des SV-Konsortiums bei der Transnet BW das Zusammenspiel einer starken KfW und einer Säule aus privatem Kapital im Sinne der Altersvorsorge.

Hinzu kommt mit EnBW bei Transnet bzw. RWE bei Amprion ein industrieller Partner, der die Technologien beherrscht. Insofern könne Transnet als möglicher Nukleus eines Modells für gemischte Finanzierungen auch bei anderen Stromnetzen betrachtet werden. Anders könnte es laufen, wenn die EnBW der KfW die zweite umworbene Tranche zuschlagen würde, so dass die Staatsbank ihren Anteil auf 49,90% verdoppeln könnte. Solche Szenarien, die privates Kapital leer ausgehen ließen, würden von den Mitgliedern des SV-Konsortiums als fatales Signal bewertet werden – erst recht angesichts eines enormen Investitionsbedarfs, der für die gesamte Energiewende bis 2040 an 1 Bill. Euro erreichen dürfte.

Das Rennen ums Stromnetz im Ländle ist auf der Zielgeraden

Versicherer sehen Beteiligung an Transnet BW als attraktives Investment – KfW könnte nochmals zum Zug kommen

Von Thomas Spengler, Stuttgart
Hauptschaltleitung in Wendlingen