Leitartikel China punktet in der Geopolitik

Tauziehen um neue Weltordnung

China nutzt das von Trump angerichtete Chaos, um die eigene Weltordnungsagenda voranzutreiben.

Tauziehen um neue Weltordnung

China

Tauziehen um neue Weltordnung

China nutzt das von Trump angerichtete Chaos, um die eigene Weltordnungsagenda voranzutreiben.

Von Norbert Hellmann

Pekings Inszenierungskünste zur Demonstration wachsender geopolitischer und wirtschaftlicher Macht erreichen einen neuen Höhepunkt. Das Jahrestreffen der Shanghai Cooperation Organization (SCO) als ein von China und Russland dominiertes regionales Sicherheitsbündnis hat 20 Staats- und Regierungschef in sorgfältig choreografierter Einheit mit Chinas Präsidenten Xi Jinping in Szene gesetzt. Es ist durch die Präsenz des indischen Premiers Narendra Modi mächtig aufgewertet worden.

China und Indien in einem Boot

China und Indien, eigentlich latent verfeindet, sehen sich als im Zuge der handelspolitischen Attacken der USA unter Donald Trump nunmehr näher in einem Boot und unterstreichen Freundschaft zu Russland. Fotostrecken mit Verbrüderungsszenen zwischen Modi, Putin und Xi erweisen sich als Hingucker. Die Botschaft ist ziemlich eindeutig: Drei Großmächte signalisieren, dass sie auf Konfrontationskurs mit der Hegemonialmacht USA im allgemeinen und Donald Trumps Handelspolitik im Besonderen gehen.

Goldene Gelegenheit

Für Xi erweist sich die diplomatische Hochleistungs-Show als goldene Gelegenheit, das Bemühen um eine chinesische Alternative zur von den USA dominierten Weltordnung als besonders multilaterales Unterfangen darzustellen. Der Gedanke einer Wachablösung findet seit längerem breitere Unterstützung von Ländern in Asien, Afrika und Lateinamerika. Im Rahmen des Brics-Bündnisses als wirtschaftlichem Kooperationsformat führender Schwellenländer reifen Pläne heran, Alternativen zum Dollar als dominierender Handelswährung zu etablieren. Zahlreiche andere Schwellenländer fühlen sich dem Konzept des Globalen Südens als Kontrastveranstaltung zur westlichen Welt und ihrer Entwicklungspolitik verbunden.

SCO wird aufgewertet

Nun hofft Peking über die Schiene der SCO, als Kooperationsplattform nicht-westlicher Staaten, der man auf globaler Ebene bislang kaum Beachtung schenkt, ein weiteres Standbein für die geopolitische Wachablösung hochzuzüchten. Prompt wurde eine neue „Initiative zur Global Governance“ ausgerufen, eine weitgehend inhaltsleere Angelegenheit, auch wenn chinesische Staatszeitungen damit ganze Seiten zu füllen wissen. Auf der praktischen Ebene gibt es allerdings auch Bewegung. China will SCO-Staaten mit besonderen Kreditfazilitäten gönnerhaft unter die Arme greifen.

Wichtiger noch wird die Schaffung einer SCO-Entwicklungsbank vorgeschlagen. Das wäre nach der Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) und der für die Brics-Staaten aufgezogenen New Development Bank (NDB) das dritte von China geprägte supranationale Finanzinstitut. Gemeinsam ist ihnen, dass sie sich als multilaterale Entwicklungsbank gerieren, vor allem aber Chinas Einfluss in der Finanzsphäre mit dem Ansinnen breiterer internationaler Verwendung des Yuan vorwärtsbringen sollen. Beim Aufbau von institutionellen Strukturen, die einen echten Gegenentwurf zu von den USA dominierten multilateralen Organisationen bieten, wird China nur langsam vorankommen. Auf diplomatischer Ebene aber gibt es rasche Fortschritte.

Neue Blockbildung

Unter Trump 2.0 droht die Welt auf zwei gespaltene geopolitische und wirtschaftliche Blöcke zuzusteuern, die sich zwangsläufig um Washington und Peking zentrieren. Länder wie Indien und Brasilien wollen sich keinem dieser Blöcke zuordnen, werden aber durch Trumps handelspolitische Attacken mit kategorischer Strafzollverhängung von jeweils 50% näher in den chinesischen Orbit manövriert. Die letzten Wochen haben eine neue Optik hervorgebracht, bei der Indien und Brasilien sich bereit zeigen demonstrativ beim Team China mit am Tau zu ziehen.

Trumps handelspolitisches Chaos färbt auf tradierte Bündnisstrukturen ab und schwächt die Kohäsionskräfte zwischen Europa und den USA. Eine erratische Agenda gepaart mit der Behandlung auch der engsten US-Alliierten als wirtschaftliche Rivalen erweist sich als beste Steilvorlage für China, um als multilateraler Schwellenländer-Schutzpatron neue Macht zu entfalten.